Perry Rhodan - Jupiter
Überlegungen wie diese nicht schon als Herausforderung an das Schicksal angesehen.
Für einen Moment zögerte sie, dann versenkte sie sich wieder in das Studium der Augenzeugenberichte. Teilweise lagen ihr diese ganz altmodisch vor, ausgedruckt auf Folien, teilweise waren es holografische Aufnahmen.
Vor wenig mehr als hundert Jahren hatte das Überleben der Menschheit nur noch am sprichwörtlich seidenen Faden gehangen. Die Terminale Kolonne TRAITOR, eines der mächtigsten Werkzeuge der Chaosmächte, war in die Galaxien der Lokalen Gruppe eingefallen und nur unter Aufbietung aller Kräfte vertrieben worden. Die Völker der Milchstraße hatten die Invasion zwar einigermaßen glimpflich überstanden, viele Wunden waren aber bis heute nicht verheilt. Es gab Narben, die für immer sichtbar bleiben würden. Die Vernichtung des Planeten Drorah, der Heimatwelt der Akonen, gehörte dazu.
Ybarri fröstelte bei dem Gedanken an den Überfall auf die Solare Residenz. Die nur zwanzig Zentimeter großen Mikro-Bestien hatten die Aufbaukonferenz der galaktischen Völker in ein wahres Blutbad verwandelt ... Sie hatte während der letzten Stunde Bilder und Filmsequenzen gesichtet. Die Erinnerung daran war bei allen, die jene Zeit miterlebt hatten, erschreckend lebendig geblieben. Mit solchen Augenzeugenberichten eines gnadenlosen Krieges war die Erste Terranerin aufgewachsen. Sie bestimmten ihr Handeln, ihre Einstellung zum Leben, ihren Einsatz für Freundschaft und Verstehen unter den Völkern der Milchstraße.
Seit es sie gab, war die Solare Residenz für Terra ein Symbol der Freiheit. Jener blutige Tag Anfang Februar 1344 Neuer Galaktischer Zeitrechnung hatte daran zum Glück nichts geändert.
Ybarris Blick schweifte durch das große Büro hinüber zur Panoramaverglasung. Rotorange spiegelte sich der Widerschein der sinkenden Sonne in den Scheiben. Der Himmel überzog sich mit einem prächtigen Abendrot. Hingetupft wie Wattebäusche wirkten die ersten aufquellenden Kumulonimbuswolken. Die Wetterkontrolle hatte für die zweite Nachthälfte Niederschlag angekündigt, der als Pulverschnee fallen sollte. Die Luft war klar und kühlte bereits ab. Terrania City würde sich bis zum Morgen, der Jahreszeit entsprechend, in strahlendem Weiß zeigen.
Alles geregelt ... Perfektion, über die niemand nachzudenken braucht.
Die Erste Terranerin erhob sich von ihrem Arbeitsplatz. Mit einer beiläufigen Armbewegung löschte sie die meisten Holoprojektionen.
Mit beiden Händen massierte sie ihren Nacken. An Feierabend durfte sie noch lange nicht denken. Wahrscheinlich würde schon der Schnee fallen, wenn sie die Konferenz der Siedlungswelten im Forum der Waringer-Akademie verließ. Ein anstrengender Abend stand ihr bevor. Das Thema der stagnierenden Wirtschaftsbeziehungen musste zu einem für alle akzeptablen Abschluss gebracht werden, bevor aus Argumenten Phrasen wurden.
Neben der Ersten Terranerin gehörte Perry Rhodan zu den Rednern des Abends. Ybarri fühlte sich trotzdem unbehaglich, sie hätte lieber dem gerade auf Terra weilenden Homer G. Adams diesen Part überlassen. Nur hatte die Mehrheit der angereisten Delegierten ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass sie die Anwesenheit der Ersten Terranerin erwarteten. Adams als galaxisweit anerkannter Finanzexperte hatte außerdem schon in der Mammutsitzung vor drei Tagen analysiert, was zwischen Terra und den beteiligten Siedlungswelten neuer Absprachen bedurfte.
Henrike Ybarri ging zum Panoramafenster und blickte über die Metropole hinweg. Sie drückte die Stirn an das kühle Glas. Solange ihr niemand zusah, durfte sie wenigstens für kurze Zeit sie selbst sein – die Frau, die nie erwartet hätte, in dieses hohe politische Amt gewählt zu werden.
Dass sie auf Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Vertrauen setzte, war honoriert worden. In der Hinsicht fühlte sie sich Perry Rhodan ähnlich. Aber was die relative Unsterblichkeit anbelangte, die Rhodan zuteilgeworden war, wichen ihre Ansichten schon voneinander ab. Ybarri gehörte zu der Minderheit, die einen Aktivatorchip keineswegs als erstrebenswert empfand.
Wir Menschen wurden von der Evolution nicht als langlebig konzipiert. Wenn wir unsterblich werden wollen, dann durch unser Handeln, aber nicht, indem wir der Natur ins Handwerk pfuschen.
Sie hatte sich nie gescheut, genau das laut auszusprechen. Vielleicht war auch das ein Grund, warum Terrania City nun zu ihren Füßen lag. Im wahrsten Sinn des Wortes, denn die Solare Residenz
Weitere Kostenlose Bücher