Perry Rhodan Neo 006 - Die dunklen Zwillinge
herum, ohne Sid abschütteln zu können. Keuchend und mit geschlossenen Augen blieb er liegen.
General Bai Jun hatte den Kampf verfolgt, ohne einzugreifen.
»Wer sind Sie?«, wandte er sich an den Mann, der unvermittelt in seinem Zelt erschienen war.
»Ich bin John Marshall.« Der Telepath stand auf, deutete eine Verneigung an. »Und Ihr Adjutant wurde von meinem Freund Sid González überwältigt. Bitte entschuldigen Sie, dass wir versäumt haben, uns vorzustellen. Die Umstände haben schnelles Eingreifen erfordert.«
»Das sehe ich«, entgegnete der General trocken. »Sie und Ihre Freunde beherrschen erstaunliche Kunststücke, Marshall. Wie bringen Sie sie zustande?«
»Hiermit.« John legte eine Hand an die Stirn. »Weitere Erklärungen folgen später. Für den Augenblick sollte genügen, dass wir zwar Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten sind, aber mit gewöhnlichen Ambitionen: Wir wollen nur das Beste – wie Sie, General. Bitte, vertrauen Sie uns.«
»Das ist viel verlangt ...«
Marshall, der die Gedanken seines Gegenübers verfolgte, las, dass der General durchaus geneigt war, ihnen zu glauben. Der Verrat des Adjutanten hatte ihn nur milde überrascht. Alles, was Bai Jun benötigte, war ein letzter Anstoß, um über seinen Schatten zu springen, die Fesseln seiner Herkunft abzuschütteln – und den Sprung in eine neue Existenz zu wagen.
Ein Anstoß ...
Der Telepath sah auf die Pistole. Er ging auf den General zu und hielt ihm die Waffe hin. Ihr Lauf war auf ihn selbst gerichtet. »Genügt das für den Augenblick als Beleg dafür, dass wir die besten Absichten verfolgen, General?«
»Ich denke, ja.« Bai Jun nahm die Waffe an sich, sicherte sie und klemmte sie in den Gürtel.
Sue sprang auf. »Wir müssen uns beeilen! In zwanzig Minuten gehen die Sprengköpfe hoch – wir müssen sie finden!«
Der General nickte. Er ging zu dem von Sid am Boden festgehaltenen Adjutanten und redete in Chinesisch auf ihn ein. Zu Marshalls Überraschung klang sein Tonfall weder wütend noch bedrohlich, eher traurig. Der Telepath klinkte sich in die Gedanken Bai Juns ein und erkannte, dass er mit seiner Einschätzung richtig lag. Der General liebte den Adjutanten wie einen Sohn, trotz seines Verrats.
He Jian-Dong antwortete widerwillig, schließlich schloss er wieder die Augen, drehte den Kopf weg und schwieg.
Bai Jun stand auf. »Haben Sie seine Gedanken gelesen, Marshall?«
Der General war ein ebenso scharfsinniger wie flexibler Mann. Keine fünf Minuten waren vergangen, dass er von der Gabe des Gedankenlesens erfahren hatte. Sollte er ihre Existenz überhaupt jemals in Erwägung gezogen haben, dann als esoterische Spinnerei ... und nun hatte er sie als Fakt akzeptiert, nutzte sie mit derselben Selbstverständlichkeit, wie er seinen Pod bediente.
John nickte. »Ich habe die Höhle vor Augen. Der Zünder läuft. Wie wir gesagt haben.«
»Der Zünder lässt sich stoppen?«
»Ich glaube, ja. Die Agentin, die He Jian-Dong angeworben hat, hat ihm gezeigt, wie man die Zündsequenz anhalten kann. Eine Zahlenkombination genügt.«
»Sie haben sie in seinen Gedanken gefunden?«
»893381«, antwortete John.
»Gut. Dann lassen Sie Ihre Funken stieben und versetzen sich zu diesen Sprengköpfen, wie Sie sich in mein Zelt versetzt haben, und stoppen die Sequenz!«
»Ich wünschte, das wäre möglich. Aber auch wenn ich das Bild der Höhle in jeder Einzelheit vor Augen habe ... eine sieht aus wie die andere. Ich kann Sid keine Beschreibung geben, die für ihn ausreichen würde. Wissen Sie, General«, versuchte sich John an einem Scherz, »ich kann nur Gedanken lesen. Für das Springen ist Sid zuständig.«
»Sie sind bereits am Ende Ihrer Wunder angekommen?«
Sid schaltete sich ein. »Nein. Das war erst der Anfang!«
Ohne ein weiteres Wort verschwand der Junge in einem Funkenregen. He Jian-Dong, unvermittelt vom Gewicht Sids befreit, regte sich nur kurz, blieb aber liegen. Der Wille des Adjutanten war gebrochen.
Sid kehrte wenige Sekunden später in einem Funkenregen zurück. Er war nicht allein. »Darf ich vorstellen, General?«, folgte er Johns Vorbild. »Anne Sloane und Wuriu Sengu. Auch sie verfügen über besondere Gaben – aber andere als John und ich.«
Sid streckte die Hände aus. John nahm seine Linke. Die Rechte des Jungen nahm Anne, ihr schloss sich Wuriu an. Sie stellten sich in einem Halbkreis vor dem am Boden liegenden Adjutanten auf. He Jian-Dong riss die Augen auf, stöhnte und versuchte
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