Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit
Nett. Apart.«
»Das ist Yinye auch«, sagte Rhodan. »Das sind sie alle. Und es widert mich an, wie über sie verfügt wird. Denn darum geht es doch: dass da jemand in das Intimste eingreifen kann und dadurch Macht ausübt.«
»Im Namen einer genetischen Optimierung.«
»In wessen Namen auch immer. Wir sollten uns diesen Omenvater einmal ansehen.«
Tschubai nickte.
»Aber nicht mehr heute Abend«, sagte Rhodan und hielt Tschubai die Hand hin. Tschubai griff zu und sprang mit ihm in das Zimmer von Sue Mirafiore.
Als hätten sie sich verabredet, trat kurz nach ihrem Eintreffen Eneida ins Zimmer. In den letzten Stunden hatte sich die Situation von Sue und Bull nicht verändert. Rhodans Hilflosigkeit quälte ihn, und auf verwirrende Weise entlastete es ihn, dass auch die Medikerin Eneida nicht viel weiterwusste.
»Die Situation ist also stabil«, versicherte er sich.
»Stabil auf dem bekannten Niveau«, sagte Eneida. »Sie können hier nichts tun. Gehen Sie, schlafen Sie.« Sie löschte demonstrativ das Licht. Im selben Moment wurde der reich bestirnte Nachthimmel im Fenster sichtbar.
Es war Nacht, und er war müde. Aber Rhodan musste lachen, als er an seine Schlafkammer dachte. Und an das Zimmer, das seiner Schlafkammer gegenüberlag.
»Ist es wegen Yinye?«, fragte Eneida.
»Ja.«
»Sie sollten überlegen, ob Sie sich ihr gegenüber wirklich ablehnend verhalten müssen.«
»Ablehnend? Ich weiß nicht, was sie will. Vielleicht schwärmt sie für mich, aber sie ist so jung – das ist doch nur eine Laune!«
» Schwärmen?« Eneida klang amüsiert. »Ich glaube nicht, dass es etwas so tief greifend Emotionales ist.«
»Sondern?«
»Yinye hat immer mit offenem Rücken gelebt«, sagte sie. »Und jetzt stellen Sie sie frei.«
Rhodan verstand die einzelnen Worte, begriff aber nicht, was die Ferronin sagen wollte. »Was meinen Sie?«
Sie spreizte voller Erstaunen die Finger. »Was verstehen Sie eigentlich?«
»Erklären Sie es mir«, sagte Rhodan. »Bitte.«
»Ferronen haben in der Regel Vater, Mutter, Großeltern, oft Urgroßeltern, nicht zuletzt den Stamm, der ihnen den Rücken deckt«, sagte sie. »Zeit um Zeit rücken sie nach hinten: Die Urgroßeltern sterben, die Großeltern, die Eltern. Dann steht man selbst mit ungedecktem Rücken zwar, aber als einer – oder eine –, als jemand, der einem anderen den Rücken freihält. Yinye hatte all das nicht. Sie ist eine Waise. Und jetzt ...«
Rhodan schüttelte ärgerlich den Kopf. »Aber dazu braucht sie mich doch nicht!«, sagte er. »Sie ist eine kluge, schöne junge Frau. Sie sollte keine Schwierigkeiten haben, einen Freund ...«
»Derlei Schwierigkeiten plagen sie nicht«, unterbrach ihn Eneida. »Aber der Omenvater hat bestimmt, dass sie, Yinye, es ist, der gegenüber Sie Ihren Beitrag zu leisten haben. Und jetzt sind Sie sich – ja, was? Zu feinstofflich für sie?«
»Absurd«, entfuhr es ihm.
Er konnte ihr das Misstrauen förmlich aus den Augen lesen. Er seufzte und schaute aus dem Fenster in den Nachthimmel über Ganashar. Ein Haufen Sterne. Einer davon war die Heimatsonne. Sie war Lichtjahre entfernt und nicht nur das. Er befand sich in tiefster Vergangenheit, Jahrtausende vor seiner Geburt. Was erwartete er? Dass hier und heute oder dort und damals in Sachen Sitte und Zusammensein dieselben Regeln galten wie im kleinstädtischen Nordamerika des frühen 21. Jahrhunderts? Was war er nur für ein Snob! Ein Moraltrompeter auf Missionsreise?
»Es ist Ihre Entscheidung«, sagte Eneida. Sie wandte sich brüsk ab und verließ das Zimmer.
»Diese Frauen!«, sagte Tschubai, der dem Gespräch stumm gefolgt war. Er griff nach Rhodans Schulter und brachte ihn nach Hause. Kurz darauf lag Rhodan auf dem Bett. Er dachte nach.
Etwas scharrte an seiner Tür. Rhodan stand auf, griff zu Bukks Sharctash, der an der Wand lehnte, und öffnete. Es war Yinye. Sie saß barfuß auf einem Hocker und hatte die Tür offenbar mit ihren Zehen bearbeitet.
»Ich habe Sie nicht kommen hören«, sagte sie.
»Ich schleiche gerne.«
Sie stand auf. »Haben Sie den Sharctash gebraucht?«, fragte sie und wies auf den Stock.
»Nein.«
»Brauchen Sie ihn jetzt?«
»Jetzt sind Sie ja da und riechen die Gefahr, Yinye.«
»Genau«, sagte sie. »Wissen Sie, was mein Name bedeutet?«
»Nein.«
»Dann müssen Sie mich jetzt hineinlassen.«
Wehrlos gegen diese unbezwingbare Logik, trat er zur Seite. Sie blieb in der Mitte des Zimmers stehen und schaute sich um, als befände
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