Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit
sie. »Erledigt.«
Tschubai sah übernächtigt aus. Rhodan und Eneida hatten sich in den letzten Stunden nur sporadisch unterhalten. Sie hatten ein paar Worte über die isolierte Lage der Siedlung gewechselt, über die Radarstation, über den Einsatz auf den Feldern.
Alles, um nicht immerzu schweigen zu müssen.
Sues Okay war eine Erlösung.
Rhodan schob seine Hand unter ihr Gesicht und stützte es. Es fühlte sich kühl an. Sie versuchte zu lächeln. »Wenn wir die Fantan wiedersehen ...« Sie überlegte. »Nehmen wir sie, immer drei oder vier, und schließen sie mit einem Fahrradschloss zusammen.« Endlich kam das Lächeln auf ihrem Gesicht an. »Wie ein Bündel Möhren. Das wird sie lehren.«
»Würdest du nicht tun«, widersprach er. »Du hast ein viel zu gutes Herz.«
»Bull«, sagte sie. »Reg macht es. Er hat kein Herz. Er ist böse. Er macht das mit dem Schloss. Und dann gibt er mir den Schlüssel.« Sie machte eine matte Handbewegung.
»Und du wirfst ihn weg?«
»Nein«, sagte sie und schaute ihn tragisch an. »Viel besser. Ebay.«
»Sie schlafen nun«, sagte Eneida. Sie saßen zu dritt in einem kleinen Raum, einer Mischung aus Büro, Behandlungszimmer und Medikamentenlager. »Sie werden lange schlafen. Ich habe beiden eine Infusion gelegt. Zwei Tage. Mindestens.«
»Aye«, sagte Rhodan.
Eneida lachte. Das Lachen veränderte ihr Gesicht fast ganz. Sonst beinahe flächig und eben, gewann es nun eigentümliche Tiefe. Sie zog sich die beiden Spangen aus dem Haar, die es bis jetzt aus der Stirn gehalten hatten, und schüttelte es. Ihre dunklen Augen. Die metallischen Bögen ihrer Brauen.
Rhodan lachte auch. Wie vertraut ihm mittlerweile die ferronischen Gesichter waren. Dabei ging er mit Toten um, Geschöpfen, die vor Jahrtausenden gestorben waren, und er wandelte unter ihnen wie ein Tiefseetaucher in seinem Skaphander auf dem Grund des Meeres.
Nur dass die lebendige Welt diesen Anzug nicht wahrnahm.
Und hin und wieder vergaß er ihn ja selbst.
Eneida wurde schnell wieder ernst. »Lassen wir es dabei. Ich vermute, Sie wollen zur Arbeit.«
Rhodan nickte. »Sicher.« Er gab Tschubai einen Wink. Der athletische Mann stand auf. Rhodan spürte einen Anflug von Lust, sich – und vor allem die Fähigkeit Tschubais – der Ferronin zu offenbaren. Aber er gab diesen Gedanken rasch wieder auf.
Sie verabschiedeten sich von Eneida und traten auf den Korridor. Die Monokelträgerin hatte, wie es schien, die Nacht auf dem Gang durchwacht. Sie hob schläfrig den Kopf. Rhodan grüßte sie mit einem Kopfnicken.
Die Gassen waren noch weitgehend unbelebt; einmal begegneten sie einer gedrungenen Ferronin in einem Kettenhemd, die betont langsam und mit halb geschlossenen Augen über die Straße ging, die morgenkühle Luft durch die Nase inhalierte und einen Sharctash wie eine Balancierstange mit beiden Händen vor dem Leib hielt.
Rhodan und Tschubai trennten sich in der Erwartung, einander in kurzer Zeit auf den Feldern wiederzusehen.
Yinye kam ihm entgegen. Zur Begrüßung legte sie kurz ihren Kopf gegen seine Brust. Sie fragte, wo er gewesen wäre, und er erzählte es ihr. Allerdings spielte in seiner Version Sue nur eine geringe Rolle; Eneida machte er zur eigentlichen Heldin. Das Gefühl, sie damit zu hintergehen, war von einer beharrlichen Bitterkeit, als ob die Dinge zwischen ihnen mehr und mehr aus der Balance gerieten: Er hatte zwei Leben gewonnen; sie hatte Bukk verloren. Er räusperte sich kurz und fragte: »Und bei dir? Gibt es etwas Neues?«
»Nichts Gutes«, sagte sie. »Du wirst davon gehört haben, dass der Gouverneur uns droht. Oder wenigstens Vela Waygen, seine Stellvertreterin; Gouverneur Garrean selbst scheint untergetaucht zu sein.«
Er nickte. »Ist das ernst zu nehmen?«
»Ja«, sagte sie. Sie stiegen in den Bus.
14.
Gualls Tagesgeschäfte
In seinem Zelt vor Karbush widmete der Thort sich dem Tagesgeschäft. Demeris, seine Erste Ministerin, ging mit ihm die Punkte der Agenda durch.
Auf Ferrol hatte es in der Stadt Troghin einen Aufstand zorniger junger Männer gegeben, den der militärische Stadtkommandant geglaubt hatte, mit großer Härte niederschlagen zu müssen. Einige Mitglieder der örtlichen Polizeieinheiten hatten sich im Lauf der Eskalation auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Es gab mehrere Verletzte zu beklagen; einer der Aufständischen schwebte noch in Lebensgefahr.
»Eine Bagatelle«, resümierte Demeris, die nicht ganz verstand, warum der Thort diesen
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