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Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit

Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit

Titel: Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Möglichkeit, zum Direktor der Hochschule von Bhangis bestellt zu werden, reizte und erschreckte ihn gleichermaßen.
    Der Thort zog sich zurück und suchte Tagusec. Der Ferrone war beleibt und schob seinen Bauch wie eine gemütliche Kugel vor sich her. Er summte eine Melodie, während er seinen Rechner einschaltete. Der Bildschirm erhellte sich. Tagusec nahm Platz, reckte sich wohlig und rief einige Dateien auf. Ideennotizen, Blaupausen, Risszeichnungen.
    Der Glanz von Tagusecs Erfindungen und Visionen blendete Guall geradezu. Während der Wissenschaftler mit der einen Hand den Cursor bewegte, Dateien aufrief, öffnete, verschob, schlug er mit der anderen ein altes Buch aus Faserfolien auf. Es war eine altehrwürdige Abschrift der Litanei des Götzenbeieinanders. Die Weise, die Tagusec summte, wurde beschwingter. Er fand die gesuchte Stelle in der Litanei, pochte fröhlich mit den Fingerknöcheln darauf und rezitierte sie nach seiner eigenen Melodie:
    »Geworden bin der Lautere; heilig und dem Leid entrückt,
    Hebe ich meine gewaltige Hand, sie schlägt in Scherben
    Die Welt, und die Scherbe voll vom duftenden Blut
    Hebe ich an meinen ehernen Mund und trinke.«
    Tagusec schloss das Buch, schlug munter mit der Hand auf den Rücken und schallerte: »An meinen, meinen ehernen Mund und trinke, trinke, trinke.«
    Guall öffnete die beiden anderen Augen, blinzelte, nahm noch einen Schluck vom Dämmerwein, richtete sich ächzend auf und ging ins Zelt zurück.
    Demeris sah ihn erwartungsvoll an. Guall sagte: »Shebter wird der neue Direktor.«
    »Bei allem Respekt«, sagte Demeris. »Ich halte Tagusec für den geeigneteren Kandidaten. Er ist ein begnadeter Waffenbaumeister, ein Mann mit Visionen.«
    »Ja«, stimmte Guall zu. »Das ist er allerdings. Aber ich glaube, dass Shebter ein besserer Verwalter ist.«
    »Das wird sehr inspirierend sein für die Hochschule«, sagte Demeris voller Sarkasmus.
    Guall lächelte Demeris freundlich zu. »Es ist beschlossen«, sagte er.
     
    Nachdem Demeris gegangen war, musste Guall ruhen. Sitzungen wie diese gehörten seit Ende des Krieges zu den Routinen des Thort. Natürlich waren auch Konferenzen in größerem Rahmen, mit mehr Ministern, Staatssekretären und Fachberatern an der Tagesordnung.
    Wenn immer möglich, zog Guall jedoch den kleinen Kreis vor. Dort fiel es ihm leichter, eine gewisse Privatheit zu simulieren, einen Rahmen zu setzen, der es ihm erlaubte, sich zurückzulehnen oder zurückzuziehen und die Augen wie in müder Selbstversunkenheit zu schließen.
    Manchmal stellte er sich vor, wie seine Mitarbeiter reagieren würden, wenn sie gewusst hätten, dass der Thort, sobald er die Augen schloss, auf eine Expedition ganz eigener Art ging und noch weniger bei sich war, als diejenigen unterstellten, die ihn für erschöpft, abgewirtschaftet und altersbedingt geistesabwesend hielten.
    Dabei war der Thort in diesen Situationen geistesanwesend wie niemand sonst im Wega-System. Wenn er das Augenpaar schloss, sah er mit dem dritten Auge. Wenn sich das dritte Auge öffnete, verwandelte sich Gualls Geist in eine Camera obscura, in der sich der ganze Kosmos der Wega abbildete. Alle Distanzen waren aufgehoben. Der Thort sah, was sich an den entlegensten Orten des Sonnensystems tat; und was immer er sah, das hörte er auch, das roch er und das fühlte er.
    Ein Leitfaden, dessen Art und Beschaffenheit Guall immer noch unbegreiflich waren, führte ihn dorthin, wo die Geschehnisse zukunftsträchtiger waren als anderswo: Eine visuell nicht erfassbare Erschütterung ging von diesen Ereignissen aus, von den Personen, die sich in diesen Zonen erhöhter Bedeutsamkeit bewegten. Manch zukünftiges Unheil, das sich im Kokon der Gegenwart verpuppte, zeichnete sich derart deutlich ab, dass Guall nicht verstehen konnte, mit welcher Blindheit die anderen Ferronen geschlagen waren. Kaum zu glauben, wie Demeris hatte übersehen können, welches Unheil mit Tagusec drohte.
    Oder waren ihr diese Risiken bewusst? War ihr bekannt, dass Tagusecs Überlegungen zu neuronalen Waffen, zu den Schmerzeffektoren, die Welt entsichert und in letzter Konsequenz ein Desaster ohne Beispiel über das System gebracht hätten?
    Guall wusste seit Langem, dass die Erste Ministerin Ambitionen auf seine Nachfolge hatte. Sie war klug; ihre Fähigkeit zur Antizipation grenzte an Prophetie.
    Noch beruhigte sie sich selbst mit ihrer Geduld; sie glaubte, Gualls Tod abwarten und danach die Dinge auf sich zulaufen lassen zu können.
    Sie

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