Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit
sorgten.
»Weiter?«, fragte Garrean.
Shim stand auf.
Eine gute Stunde später hatten sie den Punkt erreicht, den Shims Tablet errechnet hatte. Die Wolken hatten sich noch mehr verdichtet. In der Ferne sahen sie die dunkle Schleppe der Regenfahnen über dem Baylor. Die Wolkenbank wurde immer dunkler, schwarz, und wenige Minuten später hatte sie ihnen die Sicht genommen.
Das Wasser klatschte ihnen ins Gesicht. Sie pressten sich dicht an die Felswand. Ferner Donner rollte heran, zwei-, dreimal blitzte es.
Dann war das Gewitter vorbei. Das Gewölk lichtete sich allmählich. Aus den dampfenden Schwaden schälte sich ein unüberschaubar großer Körper, der lautlos und unbewegt in der Luft hing, kobaltblau. Das Material wirkte wie eine Glasur, vielleicht wie Glas, nur dass es nicht durchsichtig war.
Shim war, als müsste er nur die Hand ausstrecken, um die Hülle zu berühren, von der der Regen in Sturzbächen rann.
»Fünfzig Meter«, hörte er Garrean flüstern. »Vielleicht auch sechzig Meter. Weiter ist sie nicht entfernt.«
Sie mussten sich der Mitte des Phänomens gegenüber befinden; nach links und rechts verschwand die Walze im Wolkenrauch.
»Wie ist es hierhin gekommen?«, fragte Shim. »Ich habe nichts gehört. Keinen Laut.«
»Keinen Laut«, bestätigte Garrean, als wäre dieser Satz eine Beschwörungsformel.
Aber wozu noch einen Dämon beschwören, der einem schon vor Augen schwebt?
Shim versuchte, analytisch zu denken. Offenbar schauten sie auf den oberen Teil der Walze. Nicht ausgeschlossen also, dass sich Antriebsaggregate, Schotten, Schleusen, Antennen und was auch immer einfach außerhalb ihrer Sicht befanden – technische Strukturen, die ihnen verdeutlichen würden, dass sie es nicht mit einer Erscheinung, sondern mit einer Maschine zu tun hatten.
Die Walze mochte alles überbieten, was ferronische Technologie erzeugen konnte. Gut. Dann waren ihre Produzenten den Ferronen eben technisch voraus. Kein Grund, diesem Objekt mit archaischer Ehrfurcht zu begegnen.
Nach und nach lösten sich die Wolkenschleier auf.
Garrean machte einige Schritte auf das Dach zu, ging dann in die Hocke, legte sich auf den Boden und schob sich an die Kante heran. Da lag er. Shim war stehen geblieben.
»Komm und sieh dir das an!«, forderte Garrean ihn nach einer Weile auf.
Kurz darauf lag Shim Schulter an Schulter neben Garrean und blickte nach unten.
Die Walze hing nicht untätig im Raum. In ihrer Hülle hatten sich ovale Öffnungen aufgetan. Wozu? Sollte etwas ausgeschleust werden? Oder war es bereits ausgeschleust worden? Aber was? Und wozu?
Dann spürten sie es beide. Ein unendlich feines Beben durchlief den Felsen, den Berg, das ganze Massiv, eine kaum spürbare Erschütterung.
Das Zentrum des Bebens lag anscheinend direkt unter ihnen.
»Ich sehe nach«, sagte Garrean. »Du hältst mich an den Beinen fest, ich schau über die Kante.«
»Das halte ich für keine brillante Idee«, sagte Shim. »Ich weiß nicht, ob ich Sie halten kann.«
»Hm. Hast du eine bessere Idee?«
»Ich sehe nach«, schlug Shim vor. »Sie halten mich an den Beinen fest.«
Shim wartete, bis die Stahlzungen von Garreans Schuhwerk Halt im Felsen gefunden und sich verankert hatten. Er spürte Garreans festen Griff an den Fußknöcheln.
Gleich darauf schwang er kopfunter über dem Abgrund und verfluchte seinen Mut.
»Siehst du etwas?«, rief Garrean.
»Ja«, rief Shim.
Etwas geschah. Shim spürte, wie sein Körper hochgerissen wurde. Etwas riss ihn aus Garreans Griff, schleuderte ihn hoch über den Gouverneur weg auf die Felswand zu. Er versuchte, die Arme vor sein Gesicht zu bekommen, aber es ging alles zu schnell.
Und schmetterte ihn gegen den Stein.
Langsam kam Shim wieder zu Bewusstsein. Garreans Augen waren nah bei seinem Gesicht. »Hallo«, hörte er Garrean sagen. »Erschrick jetzt nicht. Ich nehme dir die Atemmaske kurz ab.«
Shim wolle sich wehren, fand aber nicht die Kraft.
Dann war die Maske fort. Shim sah, wie Garrean sich die Maske ans Gesicht presste und tief und gierig einatmete. Shim begriff, dass dies die Maske des Gouverneurs war.
Seine eigene musste beim Aufprall beschädigt worden sein. Oder zerstört. Dann werde ich also sterben, stellte er sachlich fest.
Garrean nahm die Maske ab und stülpte sie ihm wieder über den Mund. Shim atmete tief und bewusst. »Sie höhlen den Berg aus«, erzählte er. »Ich weiß nicht, wie, aber sie höhlen ihn aus. Und während sie ihn aushöhlen, füllen sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher