Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit
bemerkte, dass die Wachleute des Omenvaters ihre Waffen auf ihn richteten. Andere ergriffen Thora und Chaktor bei den Armen. Die beiden Ferroninnen im Schutzanzug standen unmittelbar hinter Sue und Tschubai. Sie hielten ihre Sharctash über die Köpfe der beiden, die Schlangenähnlichen schimmerten im Licht der Wega wie Laternen. Die Menge wich zurück. Ein Trupp Bewaffneter schleppte eine Gestalt auf den Platz und warf ihn Rhodan vor die Füße.
Es war Reginald Bull.
Auf eine Handbewegung des Omenvaters hin wurde alles ruhig. Nur der pfeifende Atem Bulls war zu hören. Bull sah elend aus. Er bemühte sich, wenigstens auf die Ellenbogen zu kommen oder den Kopf zu heben, aber wieder und wieder sank er zurück. Plötzlich war Eneida neben Bull, auch sie eine erschöpfte Person. Zwei Wächter hatten sich bei ihr untergehakt und hielten sie aufrecht. Die Uniform der beiden Männer erinnerte Rhodan an die Livree der Monokelträgerin.
In diesem Moment ließen die Wächter Eneida los; sie sank auf die Knie. Sie war offenkundig nicht ganz so schwach wie Bull, machte aber keine Anstalten, wieder auf die Füße zu kommen. Einer ihrer Wächter trat mit gezogener Projektilwaffe von hinten an sie heran und zielte auf ihren Hinterkopf, keine drei Fingerbreit von ihrem Schädel entfernt.
»Wir tun, was wir tun, für Ganashar«, sagte der Omenvater. »Wir leisten unseren Beitrag, auch den bittersten.«
Er gab dem Wächter ein kleines Zeichen mit der Hand; der Wächter schoss. Eneida kippte lautlos vornüber.
Die Stille über dem Platz hatte etwas Wattiges, Betäubendes. Wieso schrie niemand? Rhodan gewahrte eine Bewegung im Hintergrund der Menge. Er sah sich um und meinte für einen Augenblick Yinye zu sehen, die sich mit ihrem Sharctash gegen die Stirn klopfte.
Der Omenvater gab den beiden Ferroninnen, die hinter Sue und Tschubai standen, einen Wink. Sie senkten den Sharctash mit den Schlangenartigen noch weiter. Rhodan sah, wie sich die Augen der beiden Menschen weiteten. Tschubai starrte Rhodan mit gerunzelter Stirn an.
»Jetzt stehen Sie vor der Wahl. Wie werden Sie wählen?«, fragte der Omenvater. Es klang beinahe freundlich. Er lächelte Rhodan zu und betrachtete ihn neugierig. »Wollen Sie mit dem Verräter büßen: Sie und die Frau und das Kind und die beiden Männer? Oder treten Sie ganz auf die Seite Ganashars und bestrafen den Verräter?«
Rhodans Gedanken wirbelten. Was war nur geschehen? Hatte Bull zu fliehen versucht? Warum? Weil man ihm zugetragen hatte, dass er, Rhodan, verhaftet worden war? Oder war das Ganze nur eine dramatische Inszenierung des Omenvaters? Und welche Rolle hatte der Omenvater ihm zugedacht? Wie sollte er Bull bestrafen?
Einer der beiden Wächter überreichte Rhodan die Waffe. »Es ist nur eine Patrone darin«, sagte der Ferrone leise. »Zielen Sie gut.« Er trat einen Schritt zurück und wies auf Bull. Jetzt erst gelang es Bull, den Kopf ein wenig zu heben und dabei zur Seite zu wenden. Er starrte Rhodan an, schien aber nicht ganz zu verstehen, was vor sich ging. Endlich kam ihm ein unartikulierter Laut über die Lippen.
Der Omenvater sagte: »Leisten Sie Ihren Beitrag, Bürger Rhodan. Erschießen Sie den Verräter.«
18.
Gualls letzte Reise
Die Evakuierung kam nunmehr zügig voran. Die Starts und Landungen der Raumfähren gaben dem Tag den Takt. Der Thort hatte sich wie alle anderen auch an den periodisch an- und abschwellenden Lärm vom Raumhafen gewöhnt. Den Kontakt zur Exekutive Amburs hatte er weitgehend seinen Beamten überlassen. Nur drei- oder viermal hatte er über Bildfunk mit einer gewissen Vela Waygen gesprochen. Sie war Garreans Stellvertreterin; ihr leicht schief gestelltes Gesicht war dem Thort sofort sympathisch. Erst am Vortag hatte Guall – und zwar eher beiläufig – von Waygen erfahren, dass der Gouverneur zurzeit unauffindbar war – wahrscheinlich im Hinterland der Stadt unterwegs, möglicherweise, um dort versteckte Gruppen von Bleibewilligen aufzuspüren.
Sie hatte die Befürchtung geäußert, dass nicht wenige Amburer in den unwirtlichen Regionen jenseits der Ebene Zuflucht suchten. Andere würden sich in ihren Häusern verschanzen.
»Ja«, hatte Guall gesagt. »Natürlich. Und zu gegebener Zeit werden wir uns darum kümmern.«
Gualls Unbekümmertheit hatte sie wohl beruhigt.
Zu gegebener Zeit. Der Kundschafter hatte ihnen diese Zeit eingeräumt, von der sie nichts wussten und die doch endlich sein würde. Wie viele Ferronen würden es am Ende
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