Perry Rhodan Neo 032 – Der schlafende Gott
gerechnet. Hisab-Benkh war es damit ganz ernst. Er hatte sich oft überlegt, ob er in den Widerstand gehen sollte. Man hörte einiges über Scharfauge, und die Versuchung, sich ihm anzuschließen, war groß. Doch Scharfauge mochte nur ein Gerücht sein, eine Wunschphantasie.
Hisab-Benkh kannte seine Artgenossen. Er fürchtete, dass ein noch größeres Übel dem Despoten folgen würde, wenn es einen gewaltsamen Umsturz gab. Ihm wäre eine Infiltration der Regierung lieber als ein offener Kampf. Doch wen sollte man an die Spitze setzen? Fand sich überhaupt ein Topsider, der reif genug war, ihre Gesellschaft in eine friedliche Koexistenz mit anderen raumfahrenden Kulturen zu führen?
Ein flappendes Geräusch lenkte ihn ab. Ein vierflügliger Schatten flatterte auf sie zu. Tisla-Lehergh riss den Strahler hoch.
»Nicht!«, flehte Ralv. »Das ist Kenjan!«
Hisab-Benkh erkannte den Flugsäuger, der sich ihnen zielstrebig näherte. »Tisla, Waffe runter!«
Sie gehorchte, eine verärgerte Duftnote aussendend. Ihr Schwanz peitschte unruhig von einer Seite auf die andere. »Richten alle Gorrer diese Viecher ab?«, fragte sie.
Ralvs Brust hob sich; seine Haltung wurde straff. »Nein. Ist mein besonderes Ding. Ich kann die Berraks abrichten. Kostet viel Zeit. Kenjan hat mir geholfen, zu fliehen und zu überleben. Er ist ein guter Jäger.«
Der Berrak flog zu Ralv und setzte sich auf seine Schulter. »Friss deinen Schwanz!«, tönte er.
»Was jagt er denn so?«, fragte Emkhar-Tuur. Sie streckte die Hand aus und zupfte an einem der vorderen Flügel, als wollte sie testen, wie viel Kraft es bedurfte, ihn auszureißen. Der Berrak zog die Extremität hastig zurück und sah düster drein.
»Esrams. Wir sehen sicher welche. Tiefer.«
»Wie tief müssen wir denn hinunter?« Hisab-Benkh spürte, wie eine Stelle an seinem Hals kühler wurde. Bestimmt verfärbte sie sich gerade. Der Gedanke, Tonnen von vielleicht instabilem Geröll über sich zu haben, machte ihm Angst.
»Sehr tief. Ihr habt Waffen. Alles wird gut.«
Eine Weile gingen sie schweigend weiter. Hisab-Benkh dachte über die Gänge in der Tiefe nach und darüber, was Ralv ihm über seine Kultur erzählt hatte. Die weißhaarige Göttin mit den roten Augen war sicher von den Arkoniden abgeleitet, die einst auf Gorr gelebt hatten. Allein der traditionsreiche Name Thora wies darauf hin. Soweit Hisab-Benkh wusste, wurde er von Arkonidinnen mit hoher gesellschaftlicher Stellung benutzt. In seinen Forschungen war er oft darauf gestoßen, während er von einem Mehandor, den er über die Arkoniden ausgefragt hatte, erfuhr, dass der Name inzwischen seltener geworden war als früher.
Was würde Ralv tun, wenn ich ihm sagen würde, dass sein Volk von den Göttern abstammt? Dass die Arkoniden seine eigenen Vorfahren sind und die Götter keine Götter, sondern Wesen wie wir, die über Maschinen und Technik verfügen? Ralv wirkte aufgeweckt. Er hatte gesagt, er würde die Wahrheit suchen. Vermutlich ahnte er, wie die Dinge wirklich standen, trotzdem müsste eine Enthüllung sein gesamtes Weltbild zum Einsturz bringen wie ein Gebäude, dessen Fundament zerstört wurde. Ich sage es ihm, nachdem er uns den Gott gezeigt hat. Dann werde ich ihm alles erklären. Vielleicht hilft ihm das, sein Volk gegen diese Priesterherrschaft aufzuhetzen.
Hisab-Benkh wünschte sich, er könnte ebenso einfach gegen den Despoten vorgehen.
Vor ihnen tauchten zwei dunkle Öffnungen auf. Ralv wählte die linke. Tisla-Lehergh leuchtete auch den rechten Gang aus, ehe sie Ralv folgte. Der neue Weg zeigte sich glatt und schmucklos wie der bisherige. Ohne den Gorrer hätten sie sich längst in diesem Labyrinth aus immer gleichen Wegen verlaufen.
Es dauerte nicht lang, bis sie an einen Übergang stießen. Der Gang mündete ähnlich wie bei der Verfolgung Ralvs in ein scheinbar natürlich entstandenes Höhlensystem. Hisab-Benkh vermutete, dass vor Jahrzehntausenden ein Fluss unterirdisch durch die Ebene geflossen war, zum Meer hin. Vielleicht hatten frühe Ureinwohner Gorrs in den entstandenen Tunneln gelebt und sie ausgebaut. Vielleicht waren auch die Arkoniden darauf gestoßen und hatten das vorhandene System in ihre Kolonie integriert.
»Langsam gehen!«, riet Ralv.
Ein animalischer Geruch stieg in Hisab-Benkhs Nüstern. Als er sich umsah, entdeckte er mehrere Schatten an den rauen Felswänden, die darüber krochen. »Was ist das?«
Emkhar-Tuur trat näher an die Wand heran.
»Nicht!«, stöhnte Ralv.
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