Perry Rhodan Neo 033 - Dämmerung über Gorr
ihm brachte. Dieses Essen war schlicht und ergreifend widerwärtig. Es war zugleich suppig und fest, aber kein Brei. Die festen Bestandteile, höchst unregelmäßig in Form und Größe, ähnelten am ehesten einem Gemisch aus Gersten-, Weizen- und Roggenspelz, mit reichlich Rindertalg vermischt und anderen Fetten. All das häufte sich auf einem dünnen Spiegel aus ... einer Flüssigkeit, deren gelbgrünbraune Farbe keineswegs appetitverstärkend wirkte. Er bezweifelte, dass es in der Galaxis auch nur ein einziges Wesen geben konnte, das diesen Fraß schmackhaft fand.
Aber es war zumindest schön, ein lebendes Wesen zu sehen. Vor allen Dingen: immer das gleiche. Toreead schien zu Rhodans persönlichem Gefangenenbetreuer geworden zu sein. Er hatte jedenfalls keinen anderen Naat gesehen, seit er in die Zelle gebracht worden war. Und sie wechselten jedes Mal ein paar Worte, und jedes Mal kam ihm Toreead weniger bedrohlich vor, obwohl er sehr genau wusste, wie unterlegen er dem Riesen war. Sollte der Befehl kommen, Rhodan zu töten, war er verloren.
»Klappklapp ... klapp ... klappklapp ...«
Wenn er wenigstens schlafen könnte! Aber diese verdammte Klappe – die chinesische Wasserfolter schien ihm im Vergleich dazu wie die pure Erlösung. Vielleicht konnte er sich durch Gesang ablenken?
Er dachte lange nach. Ihm war bewusst, dass er keine besonders schöne Singstimme hatte und die Töne nicht so traf wie ein ausgebildeter Sänger. Zudem gab es keine Begleitmusik, abgesehen vom ewigen Klappern der Belüftung. Schließlich wählte er ein Lied, das bestimmt doppelt so alt war wie er, dessen Text und Melodie ihm aber so eingängig waren, dass er es nur zweimal hatte hören müssen, um es singen zu können. Da hatte es Formeln in seiner Ausbildung gegeben, die kürzer, aber zehnmal schwerer zu lernen gewesen waren ...
»Moon River, wider than a mile,
I'm crossing you in style some day.
Oh, dream maker, you heart breaker,
wherever you're going I'm going your way.
Two drifters off to see the world.
There's such a lot of world to see.
We're after the same rainbow's end,
waiting 'round the bend,
my huckleberry friend,
Moon River and me.«
Irgendwann verschwand das Klappern aus seinem Bewusstsein, überspült von der sanften Musik. Er gab sich der Melodie und dem Text hin. Dachte an seine Kindheit, an Connecticut, an den mondbeschienenen Fluss, der sich vor ihm erstreckte, beinahe endlos, gesäumt von den Heidelbeerbüschen, durch die er mit seinen Freunden gestreift war. Wie jung und wie glücklich war er damals gewesen!
Er erinnerte sich nicht. Er sah nur kurze Bilder. Den Fluss, den Mond, die glänzenden Früchte.
In dieser Phase seines Lebens schien die Zeit einfach in der Vergangenheit stehen geblieben zu sein. Im sich rasant entwickelnden Amerika des beginnenden 21. Jahrhunderts fielen einige Gebiete ganz bewusst in alte, von vielen angesichts der weltweiten Probleme als beruhigend altmodisch empfundene Muster zurück. Tom Sawyer war überall, sogar in Connecticut. Und so sah er wieder die weite Ebene mit den zeitlosen Farmhäusern, die ebenso gut im 19. Jahrhundert hätten gebaut werden können, und den großen, trägen Fluss, in dem sich der irdische Mond spiegelte.
Dieses Spiegelbild rief den jungen Menschen, lockte ihn wie die Gesänge einer Sirene. Wie vielen vor ihm war es schon so ergangen, wie viele würden ihm nachfolgen? Er wünschte ihnen allen, dass es auch ihnen vergönnt wäre, zu den Sternen zu reisen. There's such a lot of world to see – es gibt noch so viel Welt, die zu bestaunen ist ...
Ja, es gab noch viel zu erleben und zu bestaunen. Dazu musste er sich allerdings aus seiner gegenwärtigen passiven Lage befreien. Seine Freunde verließen sich auf ihn. Warteten auf ihn. Reg ... und Thora.
Ja, vor allem Thora. Die schöne, unnahbar kühle Arkonidin, deren Wärme er erst auf der Eiswelt Snowman entdeckt hatte, ging ihm nicht aus dem Sinn. Zwischen ihnen war eine Intimität entstanden, die weit über das hinausging, was er jemals für möglich gehalten hatte. Und ehe er sich über die Tragweite dieser Entwicklung richtig hatte klar werden können, war sie ihm entrissen worden – das Gift der Bleichsauger hatte sie beinahe umgebracht. Und nun war sie fort, an Bord von Ernst Ellerts kegelförmigem Raumschiff auf dem Weg zu unbekanntem Ziel ... und hoffentlich zur Heilung. Für einen winzigen, lächerlichen Moment spürte er einen Stich der Eifersucht.
Eifersucht wegen Thora ... Er wusste
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