Perry Rhodan Neo 1: Sternenstaub (German Edition)
Treppe herunter auf den Gehweg. Sie nahm die Stufen vorsichtig, eine nach der anderen, hielt sich an dem rostigen Geländer fest. Das Geländer schwankte.
Sie war nicht, wie man sich eine Polizistin vorstellte. In mehr als einer Hinsicht. Deborah war unbestechlich. Und mitfühlend. Sie hatte sieben Kinder im Alleingang großgezogen und nach einem Mann gesehen, der sein Leben nur betrunken zu ertragen vermocht hatte. Sie wusste, dass Kinder alltäglichen Wahnsinn bedeuteten. Mit Deborah konnte man reden.
»Einer deiner Jungen wird gesucht«, sagte sie. »Sid González.«
»Sid?« Was wollte die örtliche Polizei von dem Jungen? Sein Eindringen in den gesperrten Bereich von Nevada Fields war erledigt – und nicht Sache des Greater Houston Police Department. Es musste ein Irrtum sein, ein missverständlicher Datenbankeintrag. »Sid ist einer meiner besten Jungs. Was soll er angestellt haben?«
»Bankraub.«
»Bankraub?« Was war nur los? Das war kein alltäglicher Wahnsinn. »Ich ... ich, das muss ein Irrtum sein! Sid ist das harmloseste Kind, das man sich vorstellen kann. Er lebt in seiner eigenen Welt. Er würde niemals auf den Gedanken kommen, irgendetwas zu stehlen. Und selbst wenn, er ist ein Kind. Dazu eines, das Schwierigkeiten hat, sich die Schnürsenkel zu binden. Wie sollte Sid es anstellen, eine Bank auszurauben?«
»Genau das fragen wir uns auch gerade. Ich zeige dir was.« Deborah ging zum Streifenwagen. Die getönte Scheibe der Fahrertür surrte in die Türfüllung, gab den Blick auf den Fahrer frei. Es war eine Frau, Deborahs Partnerin. Schlank und jung. Sie trug Körperpanzer und Helm. Das Visier war heruntergeklappt. Ein ungleiches und zugleich gewolltes Team. Das Greater Houston Police Department hatte eine Vorliebe dafür, Gegensätze zu paaren. Es half, dass die Verständnisvollen wie Deborah nicht zu weich wurden. Und dass die Kompromisslosen wie diese Polizistin nicht laufend überreagierten.
John Marshall versuchte, durch das verspiegelte Visier einen Blick auf das Gesicht von Deborahs Partnerin zu erhaschen. Ein Blick genügte ihm für gewöhnlich, um ein Gefühl für sein Gegenüber zu bekommen, die richtigen Worte zu finden.
Es gelang ihm nicht. Stattdessen sah er sein eigenes Spiegelbild. Marshall erschrak. Er war bleich, seine Wangen waren eingefallen. Die schlaflosen Nächte, die Sorgen hatten tiefe Furchen in das Fleisch gegraben.
Die Fahrerin reichte Deborah wortlos ein Tablet. Sie trug Handschuhe.
»Vielleicht gelingt es dir, dir einen Reim darauf zu machen«, sagte Deborah, während ihre Finger über das Tablet huschten und eine Videodatei aufriefen. »Hier! Sieh dir das an!«
Sie hielt John das Tablet hin. Ein kahler, nüchterner Raum. An den Wänden Schrankfächer vom Boden bis zur Decke.
»Die Aufnahmen stammen von einer Überwachungskamera der Bank-of-America-Filiale in Downtown Houston. Der Tresor.«
Unten rechts im Bild lief eine Zeitanzeige mit. Die Aufnahmen waren keine zwei Stunden alt.
Einige Sekunden lang geschah nichts, dann sprühten plötzlich Funken, tauchten den Raum in ein grelles Weiß, das alle Einzelheiten verschluckte. Als das Weiß verblasste, stand Sid im Tresor. Einen Moment lang bewegte er sich nicht, dann drehte er sich geduckt auf dem Absatz und sah sich suchend um. Als wäre er übergangslos von einem anderen Ort in den Tresor gelangt und fand sich in einer fremden Umgebung wieder. Sids Hemd war schweißverklebt.
»Diese Funken, dieses Licht ... was war das?«, fragte Marshall.
»Das hoffen wir von dir zu erfahren. Oder von Sid.«
In der linken Hand hielt der Junge eine leere Plastiktüte. Sid ging zur Wand des Tresors, um eines der Fächer zu öffnen. Verblüfft hielt er inne, als die Klappe sich nicht bewegen ließ. Sie war durch ein separates Schloss gesichert. Sid schüttelte sich, als glaubte er, in einem schlechten Traum zu stecken und wollte ihn loswerden. Er versuchte es mit einem anderen Fach. Ohne Erfolg. Er rüttelte an einem weiteren Fach, scheiterte, versuchte ein weiteres, scheiterte immer wieder, bis er schließlich hin und her sprang, gefangen zwischen Fassungslosigkeit und Wut.
»Abgeschlossen«, kommentierte Deborah trocken. »An den Schließfächern kann er rütteln, bis er verhungert ist.«
Sid verharrte einen Augenblick und dachte nach, dann verwandelte sich seine Enttäuschung in Wut. Er trat gegen ein Fach, immer schneller, immer kräftiger. Bis ein Geräusch ihn aufhorchen ließ. Erschrocken wirbelte er herum. Seine
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