Perry Rhodan Neo 4: Ellerts Visionen (German Edition)
entzogen
Am Morgen des 29. Juni, um 10 Uhr Ortszeit, brachen sie mit einem Bus auf, den sie mit über dreißig anderen Reisenden, die in die Gobi wollten, gechartert hatten.
Ihr Bus passierte einige militärische Kontrollposten; einmal stritt ihr Busfahrer lautstark mit einem Soldaten, der ihn aber schließlich doch passieren ließ. Ellert konnte nicht erkennen, ob der Fahrer diesen oder die anderen Posten bestochen hatte.
Sie brauchten zwei Tage, um in das Sperrgebiet vorzustoßen. Am frühen Vormittag des 1. Juli 2036, eines Dienstags, erreichten sie eine der Zeltstädte, die in einem halbmondförmigen Bogen um die strahlende Kuppel aufgebaut waren.
Zusammen mit den anderen Passagieren stiegen sie aus. Walt griff zwei der faltbaren Wasserkanister, die sie im Laufe der Reise geleert hatten, steckte dem Busfahrer einige Scheine zu und nahm sie mit.
KaHe schien das kommentieren zu wollen, winkte dann aber müde ab. Sie waren alle von der Kälte der letzten Nacht noch wie gelähmt und von der unruhigen Fahrt erschüttert. Schlaf hatten sie kaum gefunden, nur ein flaches Dämmern. So hatten sie dagelegen, die immer gleichen Sätze im Kopf, die Fetzen einer Melodie, Ohrwürmer, gegen die anzudenken sie irgendwann aufgegeben hatten.
Vor dem Bus reckten sie sich alle und zugleich, wie infolge einer geheimen Choreografie. Choreografiert wirkte auch die Ausrichtung ihrer Augen: Sie alle schauten nach Süden, wo sich die strahlende Kuppel aufspannte.
Der Schild aus reiner Energie befand sich keine zweitausend Meter von ihnen entfernt. Die Kuppel glitzerte und leuchtete immer wieder auf wie ein Diamant, den eine unsichtbare Hand im Licht drehte und wendete.
Ein unablässiges Grollen und Poltern, gedämpft durch die Entfernung, war zu hören, eine akustische Brandung.
Überall im Lager verfolgten die Menschen mit ihren Pods die Nachrichten, die von CNN, Euronews, Al Jazeera, dem Press Trust of India und von Xinhua verbreitet wurden.
Sie fanden eine Stelle, auf der noch kein Zelt gebaut war. Ellert und KaHe setzten sich auf den Boden, das schien zu genügen. Menschen, die wohl ebenso auf der Suche nach einem Ort in der Zeltstadt waren, gingen vorüber und nickten den beiden zu.
Kurz darauf hatte KaHe drei Klapptragen aus Leichtmetall besorgt, drei noch eingetütete Wärmedecken und eine selbstkühlende Tragetasche.
In ihrer Nähe kampierten drei Frauen, offenbar Niederländerinnen. Die vierzig-, vielleicht fünfzigjährigen Frauen winkten Walt, Ellert und KaHe herbei. Sie hatten ihre Pods zusammengeschaltet. Der aus drei Monitoren bestehende Bildschirm löste das Bild erstaunlich klar auf. Euronews zeigte die Energiekuppel, aber um Explosionsblitze und Lichtreflexe bereinigt. Sie sahen unter dem durchsichtigen Sturz die Gebäude einer außerirdischen Architektur in die Höhe wachsen. Ellert wusste nicht zu sagen, wie schnell die Zeit in dieser Darstellung gerafft wurde, ob er die realen Bauwerke sah oder hochgerechnete Modelle.
»Kandor«, sagte Walt. »Es sieht aus wie die Flaschenstadt Kandor, ihr wisst schon, Superman und die Festung der Einsamkeit.«
KaHe nickte nachdenklich und sagte: »Walt, du spinnst. Es wird kein Superman einfliegen.«
Das Wortgeplänkel ging noch ein wenig weiter. Eine der Frauen musterte Ellert ungeniert. »Du sagst nichts«, stellte sie in ihrer weichen Tonfärbung fest.
»Was soll ich sagen.«
»Ich bin Renette Khokhobaia«, stellte sie sich vor und reichte Ellert eine auffällig schmale, schlanke Hand. Ihre Haut war dunkel, fast olivenfarbig. Rabenfedernhaare, schwarze Augen. Ellert schüttelte ihr behutsam die Hand. Sie lachte. »Nicht so zerbrechlich. Drück.« Sie ließ ihn ihren kräftigen Händedruck spüren. Ellert erwiderte ihn.
Sie stellte ihre beiden Reisebegleiterinnen als Famke Asscher und Glennis van den Eekhout vor. Beide hatten helle Gesichter, helle rote Haare. Sie sahen aus wie Schwestern, nur dass Famke sich einen himbeerroten Mund geschminkt hatte.
Alle drei sprachen Deutsch, wenn auch mit den kleinen Abweichungen, die für Niederländer typisch waren. Sie boten sich an, die drei Männer durch das Lager zu führen.
Die Zeltstadt bestand erst seit einigen Tagen; sie war erstaunlich wohl strukturiert. Renette Khokhobaia nannte die Siedlung Hafen der Zelte.
Die vielgestaltigen Zelte, die Plastikiglus, Tunnelzelte und Tipis bildeten Gassen, Straßen, Kreuzungen. Manche Wege liefen auf Plätze zu, auf denen die chinesische Armee ihre Wassertankwagen parkte und
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