Perry Rhodan Neo 9: Rhodans Hoffnung (German Edition)
den Dieben eben noch hatte hämmern lassen, schien stillzustehen. Julian spürte jeden Stein unter seinen Stiefeln, als schützten ihn keine Sohlen. Die Sonne brannte auf seiner Haut, die heiße Luft stach in seinen Lungen, trocknete ihn von innen aus. Er hatte Durst.
Julian Tifflor hatte Angst. Er wollte weg.
Aber er durfte, nein, er konnte es nicht.
Er zwang seinen Blick weg von dem Gewehr auf den Mann. »Die Waffe ist nichts«, hatte sein Vater ihm immer wieder gesagt, wenn sie auf die Fälle zu sprechen kamen, die er vertrat, »es ist der Mensch, der sie hält, der zählt.«
Der Mann, der die Waffe hielt, war schlank und blass. Er hatte sein Gesicht gewaschen, den Schmutz aus seiner Kleidung geklopft. Er musste es während der Fahrt gemacht haben, mit dem wertvollen Wasser, das er in Terrania gestohlen hatte. Es musste ihm viel bedeuten, wie er auftrat. Und: Was er gestohlen hatte, musste ihm viel bedeuten. Sonst hätte er sich nicht dazu herabgelassen, sich zu beschmutzen.
»Hörst du nicht?«, brüllte der Mann. Englisch war nicht seine Muttersprache, das harte, rollende »R« verriet es. »Aus dem Weg!«
Als Julian ein Kind gewesen war, hatte sein Vater einmal einen Einbrecher in ihrem Haus gestellt. Er war bewaffnet gewesen. Sein Vater, der eben erst für die National Rifle Association einen Präzedenzfall gewonnen hatte, der den freien Zugang zu Handfeuerwaffen absicherte, war unbewaffnet gewesen – für sich persönlich lehnte er Schusswaffen ab. Julians Mutter, die niemals die Fassung verlor, hatte seinen Vater hinterher angeschrien. Wie hatte er nur so verrückt sein können, sich mit bloßen Händen einem Bewaffneten entgegenzustellen?
Sein Vater hatte geantwortet: »Es war nicht verrückt. Ich war stärker als er. Ich wusste, dass ich für eine richtige Sache stand. Er wusste, dass es falsch war, was er tat.«
Die Antwort hatte sich Julian eingeprägt. Aber erst jetzt, Tausende Kilometer entfernt, in dieser Wüste, verstand er sie ganz.
Dieser Mann und seine Begleiter hatten gestohlen. Arkonidische Technik, von der sie sich wohl Geld und ein Leben in Luxus erhofften oder was auch immer. Ihr Antrieb war stark – aber verglichen mit seinem war er schwach.
Julian Tifflor wusste, dass er für eine richtige Sache stand. Er war stärker als der Mann mit dem Gewehr.
»Nein«, sagte er.
Julian sah über den Mann hinweg auf dessen beide Begleiter, die sitzen geblieben waren und zu dem Gewehr aufblickten. Eine Frau und ein Mann. Ihre Augen waren geweitet. Als fürchteten sie den Mann mit dem Gewehr.
Mildred und Timothy hatten aufgeschlossen. In Rufweite, aber viel zu weit entfernt, um ihm helfen zu können. Timothy hatte sich über sein Tablet gebeugt, schien alles um sich herum vergessen zu haben. Er murmelte vor sich hin. Mildred suchte Blickkontakt mit Julian und schüttelte langsam den Kopf. Sie kannte ihn. Sie wusste, dass er nicht nachgeben würde. Sie hielt ihn für verrückt – und gleichzeitig liebte sie ihn dafür. Ein warmes Gefühl breitete sich in Julians Bauch aus, stärkte ihn.
»Zum letzten Mal, Junge!«, schrie der Mann. »Geh aus dem Weg! Du hast kein Recht, uns aufzuhalten!«
»Sie irren sich. Ich habe das Recht.«
»Ja? Gehört dir etwa die Wüste?«
»Ja. Genauso wie Ihnen und Ihren Freunden. Ich bin Terraner.« Er legte eine Hand auf die Armbinde, die er in Terrania erhalten hatte. »Genauso wie ihr Terraner seid. Die Erde gehört uns allen, genauso wie diese Wüste und Terrania – und alles, was dazugehört. Aber ihr habt gestohlen! Ihr seid Diebe!«
»Du bist verrückt, Junge!«
»Das höre ich öfter.«
»Wo ich herkomme, macht man mit Verrückten kurzen Prozess.« Der Mann schoss. Die Kugel schlug zu Julians Füßen ein, spaltete einen Stein und raste als Querschläger weiter. Das Echo des Knalls untermalte ihr Heulen.
Julian Tifflor wäre am liebsten davongerannt und hätte sich verkrochen.
Er rührte sich nicht.
Die Frau, die auf dem Rücksitz saß, schnellte hoch, wollte dem Schützen eine Hand auf den Arm legen. Aber im letzten Moment zögerte sie, sank wieder auf den Sitz zurück. In dem Winkel seines Geistes, der nüchtern beobachtete, registrierte Julian, dass sie zierlich war. Eine Asiatin, jünger als die beiden Männer.
»Das nächste Mal ziele ich auf dich. Aus dem Weg!«
»Nein!«
»Wie du willst. Ich habe dich gewarnt.« Der Mann hob das Sturmgewehr erneut und zielte.
Julian Tifflor schloss die Augen. Er dachte an seinen Vater, der niemals
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