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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Verfahren zu ändern?«
    »Das haben wir uns ebenfalls gefragt. Und es kam nur einer infrage.«
    »Wieland Trasse?«
    »Genau. Seltsam war auch, dass der Bote an diesem Tag eine Stunde früher unterwegs war als üblich. Wie hätte der Räuber das wissen können, wenn er nicht über den geänderten Zeitablauf informiert wurde? Außerdem waren die Einnahmen an diesem Tag besonders hoch.«
    »Warum seid ihr diesem Verdacht nicht weiter nachgegangen?«
    »Anordnung von oben. Schönberger, der mit mir zusammengearbeitet hat, vertrat die These, dass der Räuber, um die Lage zu sondieren, schon erheblich früher am Tatort auf den Boten gewartet habe.«
    »Du hast das aber nicht geglaubt?«
    Matting schüttelte den Kopf. »Nie. Aber Saborski hat sich die Auffassung Schönbergers zu eigen gemacht. Damit war die Sache gelaufen. Der Fall wird wohl bald als unaufgeklärtes Verbrechen endgültig ad acta gelegt.« Er zuckte mit den Schultern. »Die richtigen Freunde muss man halt haben.«
    »Was willst du damit andeuten?«
    Sein Kollege grinste vielsagend. »Nichts. Absolut gar nichts.«
    »Waren die Einnahmen versichert?«
    »Na klar. Und die Assekuranz hat auch gezahlt.«
    »Wenn ich dich richtig verstehe, vermutest du also einen Versicherungsbetrug?«
    »So ist es. Nur beweisen kann ich leider nicht das Geringste.«
    Die Kellnerin brachte die bestellten Speisen. Matting griff zum Besteck, legte es jedoch wieder beiseite. »Unser Gespräch bleibt doch vertraulich, oder? Ich möchte nämlich meine Pension nicht gefährden.«
    »Kein Angst«, entgegnete Goldstein und schob sich ein Stück Braten in den Mund. »Von mir erfährt niemand ein Wort.«
    Eine Stunde später saß Goldstein in der Straßenbahn auf dem Rückweg nach Herne. Gleich morgen früh würde er nach Bochum in die dortige Gerichtsmedizin fahren. Er wollte mehr über Gerbers Expertise wissen. Aber dann hatte er vor, die wenigen Resttage seines Urlaubs zu genießen.
    Während der Fahrt ließ er die Unterhaltung mit seinem Kollegen Revue passieren. Mattings letzte Bemerkung machte ihm zu schaffen. Erneut überkamen ihn Zweifel an seinem Vorgehen. War er selbst nicht gerade dabei, sich viel zu weit aus dem Fenster zu hängen? Was, wenn seine Vermutungen über den Kriminalrat doch unbegründet waren? Er gefährdete durch seine Alleingänge möglicherweise seine Stellung. Wovon sollten Lisbeth, ihr Vater und er zukünftig leben, wenn er sich eines Dienstvergehens schuldig machen und aus dem Polizeidienst entfernt würde?
    Er rief sich die Unterhaltung mit Saborski in Erinnerung. »Wie gesagt, der Fall kann damit zu den Akten gelegt werden. Es sei denn, es gibt neue, mir noch nicht bekannte Erkenntnisse.« Das waren seine letzten Worte gewesen.
    Das Auftauchen von Konrad Müller konnte so interpretiert werden. Damit verstieß Goldstein nicht gegen Saborskis Anweisungen, wenn er sich mit ihm traf. Natürlich musste er seinen Chef darüber informieren. Denn wenn Müller sich tatsächlich als wichtiger Zeuge entpuppte, würde Saborski spätestens davon erfahren, wenn er seinen Bericht ablieferte.
    48
     
    Montag, 16. Oktober 1950
     
    Seit Tagen freute sie sich auf diesen Abend und hatte sich extra einen neuen Rock gekauft. Pastellblau. Allerdings keinen aus der von den Modemachern propagierten Engen Linie. Damit konnte sie sich nicht anfreunden. Denn um solche Röcke tragen zu können, hätte sie ihren leider immer noch vorhandenen Hüftspeck in ein Taillenmieder zwängen müssen. Da schon ihr Strumpfgürtel an den unmöglichsten Stellen zwickte, wollte sie sich ein Mieder keinesfalls antun. Auch wenn sie der letzte Schrei waren, waren die Dinger dummerweise völlig unbequem und für eine Verabredung zum Tanzen nur bedingt geeignet. Auf ihre ungetragene Bluse jedoch war sie besonders stolz. Weiß, mit einem wellig fallenden Schalkragen. Sie trug ihren kleinen Hut, der farblich genau auf ihre übrige Bekleidung abgestimmt war. Vor dem ersten Tanz gedachte sie ihn abzunehmen, um ihre langen, braunen Haare besser zur Geltung kommen zu lassen.
    Und dann ihre Nylons. Wie hatte sie sich bemüht, dass die Naht kerzengerade lag. Eine Viertelstunde lang! Aber jetzt saß alles perfekt.
    Viel Sorgfalt hatte sie auf ihr Make-up verwendet: mandelförmig geschminkte Augen, frisch gezupfte, schmale Augenbrauen und ein dunkelroter Lippenstift. Sie fand, sie sah zehn Jahre jünger aus.
    Marianne Berger nippte an ihrer Coca-Cola und sah auf die Uhr. Schon fünfzehn Minuten nach sieben. Hatte

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