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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Haus. Dort hatte er auf Pauly gewartet. Wann war der Tote noch gleich entdeckt worden? Im Artikel war vom vorletzten Freitag die Rede. Zwei Tage zuvor hatte er den Nazirichter vor dem Gebäude beobachtet. Standen die Initialen W. M. etwa für Wolfgang Müller, seinen Onkel? Ihn schauderte.
    Pauly kannte seinen Onkel. Das stand fest. Was, wenn der Richter auch seinen Verwandten umgebracht hatte? Und war das seine Chance, Pauly ans Messer zu liefern? Der Polizei wollte er sein Wissen nicht preisgeben. Die ging ja, glaubte man dem Zeitungsbericht, von Selbstmord aus und schenkte seiner Aussage möglicherweise keine Beachtung. Nein, er musste den Weg über die Presse gehen.
    Er griff erneut zu dem Blatt, um den Namen des Verfassers zu suchen. Ein Franz Hinterhuber. Das war sein Mann.
    Zufrieden, einen Weg gefunden zu haben, beendete er sein Frühstück und machte sich auf zum Postamt, um in der Redaktion anzurufen.
    Franz Hinterhuber war sofort am Apparat.
    »Ich habe heute in Ihrem Artikel gelesen, dass sie Informationen über diesen Mord in Gelsenkirchen suchen«, begann Müller das Gespräch. »Ich könnte Ihnen so einiges erzählen.«
    »Und was?«, fragte Hinterhuber.
    »Sie haben doch auch so etwas wie eine Schweigepflicht?«
    »Ja. Das nennt man Zeugnisverweigerungsrecht. Ergibt sich aus dem Recht, das im Grundgesetz verankert ist.«
    »Das heißt, Sie werden meinen Namen nicht nennen?«
    »Genau.«
    »Gut. Ich glaube, ich kenne den Toten. W. M. steht für Wolfgang Müller, nicht wahr?«
    »Da haben Sie recht. Woher wissen Sie das?«
    »Müller ist mein Onkel. Und er ist ein Mörder.«
    Für einige Sekunden war es still in der Leitung. Dann fragte Hinterhuber: »Können Sie das beweisen?«
    »Das nicht gerade. Aber Ende September wurde in Bochum ein Mann ermordet. Das stand auch in der Zeitung. Ich war Zeuge.«
    »Haben Sie das der Polizei gesagt?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Für solche Geschichten habe ich Zeit. Ich bin ganz Ohr.«
    Und Müller erzählte.
    Während Müllers Bericht atmete Hinterhuber mehrmals tief durch. Was für eine Nachricht! Das würde in der Redaktion wie eine Bombe einschlagen und seine Karriereaussichten schlagartig verbessern.
    Allerdings durfte er diese Geschichte nicht ungeprüft veröffentlichen. Vielleicht handelte es sich bei seinem Gesprächspartner um einen dieser Wichtigtuer, die immer anrufen, wenn die Bevölkerung um Mithilfe gebeten wird. Obwohl Konrad Müller diesen Eindruck nicht machte. Trotzdem. Er brauchte eine Bestätigung.
    »Ich kann verstehen, dass Sie damit nicht zur Polizei gehen wollen«, sagte Hinterhuber, nachdem Müller geendet hatte. »Aber Sie sollten es trotzdem tun.«
    »Kommt nicht infrage. Ich hätte mich sofort als Zeuge des Mordes an Lahmer melden müssen. Bestimmt habe ich mich strafbar gemacht.«
    Hinterhubers juristische Kenntnisse waren eher dürftig. Aber möglicherweise hatte Müller recht. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich rufe einen befreundeten Polizisten an, der mit dem Fall befasst ist. Ihn frage ich, ob er bereit ist, sich mit Ihnen und mir auf informeller Ebene zu treffen.«
    »Wer ist das?«, wollte Müller wissen.
    »Ein Hauptkommissar. Sein Name ist Goldstein. Ich bin mit ihm schon seit Jahren bekannt.« Manchmal war eine kleine Notlüge erforderlich, dachte Hinterhuber. »Goldstein ist absolut zuverlässig und kein Paragrafenreiter.«
    Nach kurzem Zögern antwortete Müller: »Einverstanden. Nur nicht im Polizeipräsidium.«
    »Natürlich nicht. Schlagen Sie einen anderen Ort vor.«
    »Ich kenne mich hier nicht so gut aus«, gestand Müller. »Wenn Sie …?«
    »Mache ich. Ich versuche jetzt, den Beamten zu erreichen, und Sie rufen mich in einer Stunde zurück. Dann sehen wir weiter.«
    47
     
    Montag, 16. Oktober 1950
     
    Der Anruf Hinterhubers erreichte ihn, als er gerade das Haus verlassen wollte, um sich mit Heinrich Matting zu treffen. Der Kollege hatte vor einem Jahr die Ermittlung in dem Raubüberfall auf Allemeyer geleitet. Goldstein kannte ihn seit Langem und hatte sich mit ihm zum Mittagessen in einem Bochumer Restaurant verabredet.
    »Ich bin in Eile. Worum geht es?«, fragte er knapp.
    »Ihre Strategie hatte Erfolg. Bei mir hat sich ein vielversprechender Zeuge gemeldet.« Der Journalist berichtete von dem Gespräch mit Müller. »Haben Sie Interesse?«
    »Machen Sie Witze?« Der Hauptkommissar war wie elektrisiert. Genau auf so einen Informanten hatte er gehofft. »Wann kann ich

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