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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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hippocampo-corticalen System ausbilden, nämlich bereits ab der fünften Embryonalwoche. Das corticale System als Träger des bewussten Ich reift hingegen nach der Geburt aus, und dieser Reifungsprozess ist erst mit dem Ende der Pubertät abgeschlossen. Bis vor kurzem war über die Entwicklung des Gehirns während der Pubertät nur wenig bekannt. Inzwischen weiß man aber, dass während dieser wichtigen Phase des Lebens in vielen Teilen des Gehirns, unter anderem stimuliert durch die Sexualhormone, neue Verbindungen geknüpft und dann wieder selektiv abgebaut werden. Das Wort von der »Baustelle pubertäres Gehirn« trifft also durchaus zu, und zwar insbesondere für den Stirnlappen und den Schläfenlappen.
    Die anatomische Entwicklung des Gehirns und die Dynamik seiner »Verdrahtung« verlaufen also keineswegs gleichmäßig, sondern in Schüben ab. Die wichtigsten Schübe sind zum einen die vorgeburtliche Entwicklung des Gehirns, dann im letzten Teil der Schwangerschaftsentwicklung und in den ersten Lebensjahren die massive Überproduktion und anschließende selektive Elimination von Verbindungen, und schließlich findet derselbe Prozess auf etwas niedrigerem Niveau noch einmal während der Pubertät statt. In diesen »Schub-Perioden« ist das Gehirn besonders empfindlich und prägsam gegenüber Umwelteinflüssen, seien sie positiver oder negativer Art. Darüber wird noch ausführlicher zu sprechen sein.
     

EXKURS 1
     
Methoden der Hirnforschung
     
     
    Die gegenwärtig gängigen Methoden der Neurobiologie zum Registrieren der Hirnaktivität umfassen die Einzel- und Vielzellableitungen mithilfe von Mikroelektroden, die Elektroenzephalographie (EEG), die Magnetenzephalographie (MEG), die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die funktionelle Kernspintomographie (fNMR/fMRT/fMRI).
    Die Registrierung der Aktivität einzelner Nervenzellen mithilfe der Mikroelektrodentechnik setzt das Freilegen von Gehirngewebe voraus und geschieht in der Regel im Tierversuch oder (selten) am offenen Gehirn eines Patienten im Zusammenhang mit Hirnoperationen. Mikroelektrodenableitungen werden entweder extrazellulär durchgeführt, wobei das Auftreten von überschwelligen Erregungszuständen in Form von Aktionspotenzialen erfasst wird, oder intrazellulär , wobei man auch Hemmungszustände (Inhibitionen) und unterschwellige Erregungszustände registriert, die von extrazellulären Ableitungen nicht erfasst werden. Mithilfe »gröberer« extrazellulärer Mikroelektroden lässt sich auch die Aktivität kleinerer Zellverbände erfassen (so genannte Summen- und Feldpotenziale). Mit der so genannten Patch-Clamp-Technik kann man auch sehr feine Vorgänge an der Membran einer Nervenzelle erfassen.
    Beim Elektroenzephalogramm (EEG) wird am Kopf mithilfe von Oberflächenelektroden durch die intakte Schädeldecke hindurch (also »nichtinvasiv«, wie man sagt) die elektrische Aktivität einer großen Zahl von Nervenzellen gemessen, und zwar im Wesentlichen diejenige der vertikal zur Hirnoberfläche angeordneten Pyramidenzellen. Subcorticale Vorgänge werden in der Regel nur über ihre Effekte auf corticale Prozesse erfasst. Die zeitliche Auflösung des EEG liegt im Millisekundenbereich. Mithilfe des EEG können deshalb Erregungsverteilungen in der Großhirnrinde während kognitiver Leistungen zeitlich genau dargestellt werden, jedoch ist die Lokalisation der Herkunftsorte der Erregungen ungenau, auch wenn inzwischen häufig mit über hundert Elektroden gemessen wird. Allerdings können durch aufwändige mathematische Methoden die Erregungsorte (die sog. Dipole) einigermaßen genau lokalisiert werden. Bei der Messung ereigniskorrelierter Potenziale (EKP) wird die Änderung des EEG aufgrund der Wahrnehmung von Sinnesreizen (Lichtblitze, Töne, auch Gesichter, Wörter und Objekte) oder durch rein intern generierte Ereignisse wie Aufmerksamkeit, Vorstellungen und Erinnerungen erfasst. Allerdings sind diese Änderungen mit bloßem Auge nicht zu erfassen und werden deshalb mithilfe von Mittelungsverfahren aus dem EEG extrahiert.
    Anders als beim EEG werden bei der Magnetenzephalographie (MEG) mithilfe hochsensitiver Detektoren Veränderungen der parallel zur Cortexoberfläche verlaufenden magnetischen Felder gemessen. Das MEG hat bei gleicher sehr guter Zeitauflösung eine etwas bessere Ortsauflösung als das EEG, weil die magnetische Leitfähigkeit des Hirngewebes – und damit die Ausbreitung und das »Verschmieren« des Signals – geringer ist

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