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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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Erregung spielen sowohl intern generierte als auch aus der Umwelt stammende Reize eine große Rolle.
    Ein weiterer wichtiger Faktor der strukturellen und funktionellen Ausreifung des Gehirns ist die Myelinisierung der Nervenfasern. Hierbei bildet sich um ein Axon eine so genannte Myelinscheide aus. Die Myelinisierung eines axonalen Fortsatzes ermöglicht eine deutlich (z. T. hundertfach) schnellere Fortleitung von Aktionspotenzialen über die Axone, als es bei unmyelinisierten Fasern der Fall ist. Ohne eine massive Myelinisierung im Gehirn würden die Prozesse der Erregungsverarbeitung sehr viel langsamer ablaufen, insbesondere würde dies die Großhirnrinde mit ihren Billionen an axonalen Verbindungen stark beeinträchtigen und viele komplexe kognitive Leistungen unmöglich machen. Deshalb ist der Prozess der Myelinisierung der Großhirnrinde eine wichtige Komponente in der Entwicklung höherer kognitiver Leistungen.
    Die Myelinisierung von Axonen im Gehirn beginnt nach Abschluss der Zellwanderung und findet erst mit Erreichen des Erwachsenenalters allmählich ihr Ende. Dabei gibt es einen deutlichen Gradienten. Vor der Geburt werden die Axone von Zellen im Rückenmark und Verlängerten Mark myelinisiert und unmittelbar nach der Geburt die Axone von Zellen im Mittel- und Kleinhirn. Im ersten und zweiten Jahr folgen Axone im Thalamus, in limbischen Zentren des Endhirns und in den Basalganglien, dann solche in den primären sensorischen und motorischen Arealen der Großhirnrinde. Anschließend werden die sekundären sensorischen und motorischen Areale myelinisiert. Noch später erfolgt die Myelinisierung in den assoziativen Arealen. Hier sind es der präfrontale und insbesondere der
orbitofrontale Cortex, deren Fasern zuletzt myelinisiert werden; dies kann sich bis zum 20. Lebensjahr hinziehen.
    Dendritenwachstum, Synapsentod und Myelinisierung werden begleitet von einer Aufgliederung des Gehirns in strukturelle Einheiten, nämlich in Kerne (Nuclei) außerhalb der Großhirnrinde und später in corticale Areale. Der letzte Schritt der Differenzierung ist die Feinverdrahtung in diesen Strukturen. Dabei entwickelt sich auch die neurochemische Spezifität der Neurone, d. h. die Ausstattung mit bestimmten erregenden, hemmenden und modulierenden Neurotransmittern und Neuropeptiden.
    Die genannten Hirnzentren entwickeln sich im Wirbeltiergehirn in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Zuerst bilden sich Hypothalamus und Amygdala sowie die mit dem Hirnstamm verbundenen Verbindungsbahnen sehr früh aus, nämlich um die fünfte und sechste Schwangerschaftswoche, gefolgt von Nucleus accumbens, Septum und den wichtigsten limbischen Verbindungswegen in der sechsten und siebten Woche. Bereits im dritten Schwangerschaftsmonat können die verschiedenen Kerne der Amygdala unterschieden werden. Die Basalganglien beginnen mit ihrer Entwicklung in der siebten und achten Woche ebenso wie die tiefen Kleinhirnkerne sowie Teile des Vestibulo- und Spinocerebellum und Teile des limbischen Cortex (z. B. der insuläre Cortex). Über den Prozess der Feinverdrahtung innerhalb dieser Zentren ist allerdings noch wenig bekannt; man kann davon ausgehen, dass er sehr früh einsetzt. Zumindest sind die wichtigsten limbischen Zentren und Verbindungstrakte schon weit vor der Geburt vorhanden. Der Hippocampus beginnt sich im zweiten Drittel der Embryonalentwicklung in charakteristischer »seepferdchenartiger« Weise einzukrümmen, und die Verknüpfungen der drei Teile des Hippocampus (Ammonshorn, Subiculum, Gyrus dentatus) untereinander und mit dem anliegenden entorhinalen Cortex bilden sich ab der zwanzigsten Woche aus. Die ersten Verknüpfungen der Hippocampus-Formation mit dem Isocortex treten nicht vor der zweiundzwanzigsten Woche auf.
    Die eigentliche Ausbildung des Cortex mit seinen Windungen und Furchen, die Anzeichen vermehrter Zellbildung sind, beginnt in nennenswertem Maße in der vierzehnten bis siebzehnten Woche im Bereich des cingulären Cortex und im Hinterhauptscortex sowie im angrenzenden Parietallappen. Dann folgen in der achtzehnten bis einundzwanzigsten Woche der Schwangerschaft die Zentralfurche und die obere Temporalfurche, gefolgt von weiteren Furchen und Windungen im Parietal-, Temporal- und Okzipitallappen. In der sechsundzwanzigsten bis neunundzwanzigsten Woche kommen Furchen und Windungen des Frontalhirns hinzu. Den Abschluss bildet zwischen der 30. und 37. Woche, also kurz vor der Geburt, die Ausbildung sekundärer temporaler,

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