Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Rückenmark) wie alle Wirbeltiergehirne ein Rohr, Neuralrohr genannt. Sein vorderer Teil bildet sich im Kopfbereich zum Gehirn aus, und sein Hohlraum bildet später die vier Hohlräume des Gehirns (die Hirnventrikel). Das vordere Ende des Gehirns stülpt sich ein und bildet zwei parallele Röhren, die Endhirn-Hemisphären mit zwei Hohlräumen, dem ersten und zweiten Ventrikel, während das dahinter liegende Zwischen- und Mittelhirn, die Brücke und das Verlängerte Mark unpaar bleiben und jeweils nur einen Ventrikel haben, nämlich den Zwischenhirnventrikel als dritten Ventrikel, den Ventrikel des Verlängerten Marks als vierten Ventrikel und einen Verbindungshohlraum zwischen drittem und viertem Ventrikel, der das Mittelhirn durchzieht. Das Gehirn erhält seine jeweilige spätere Gestalt dadurch, dass dieses Rohr sich an bestimmten Stellen zusammenschnürt oder seine Wände sich stark verdicken. Die so entstehenden Gehirnteile verschieben sich gegeneinander, knicken ab, oder ein Teil überwächst den anderen. Die relative Abfolge der Hirnteile bleibt aber dabei streng erhalten (vgl. Abbildung 1b).
Wie wir bereits gehört haben, bestehen Gehirn und Rückenmark aus Nervenzellen und Gliazellen. Beide entstehen an der Wand des Neuralrohres aus gemeinsamen Vorläuferzellen, die dann entweder Nervenzellen oder Gliazellen bilden, und teilen sich dort vielfach. Einige bleiben dort sitzen, aber viele lagern sich außen an oder wandern zu bestimmten entfernteren Orten. Während des Gehirnwachstums ist die Bildungsrate von Nervenzellen extrem hoch und beträgt während der gesamten Schwangerschaft im Durchschnitt 250 000 Neurone pro Minute, mit einem Maximum von 500 000 pro Minute. Während die Zellteilung im menschlichen Gehirn zum größeren Teil in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche abgeschlossen ist, dauert die Zellwanderung noch weit über die Geburt hinaus. Der Prozess der Zellteilung und Zellwanderung verläuft je nach den einzelnen Hirnregionen und -zentren sehr unterschiedlich.
Wichtig für die Funktion des Gehirns als eines Systems der Informationsverarbeitung ist nicht nur die Bildung von Nervenzellen, die beim Menschen bei der Geburt mit lokalen Ausnahmen im Wesentlichen abgeschlossen ist, sondern auch die Ausbildung von Dendriten und Axonen. Axonale Fortsätze können von den Nervenzellen bereits während der Wanderung gebildet werden, während Dendriten sich in der Regel erst ausbilden, nachdem die Zellen ihren Zielort erreicht haben. Die Bildung von Dendriten und Synapsen als Kontaktpunkten zwischen Axonen und Dendriten oder zwischen Dendriten unterschiedlicher Nervenzellen beginnt in großem Ausmaß ungefähr ab dem fünften Schwangerschaftsmonat, steigt aber zusammen mit der Ausbildung von Dendriten nach der Geburt noch einmal massiv an. Dies verläuft jedoch unterschiedlich in unterschiedlichen Teilen des Gehirns. Im visuellen Cortex zum Beispiel findet eine Verdopplung der Synapsendichte zwischen dem zweiten und vierten Monat nach der Geburt statt, die Maximalzahl wird mit etwa einem Jahr erreicht. Anschließend geht die Zahl der Synapsen wieder zurück, und das erwachsene Niveau wird mit ungefähr elf Jahren erreicht. Im Frontalcortex wird die maximale Synapsendichte ebenfalls mit einem Jahr erreicht, allerdings ist dabei die Zahl der Synapsen doppelt so hoch wie im visuellen Cortex; die Synapsenreduktion beginnt hier erst mit fünf bis sieben Jahren und kommt nicht vor einem Alter von fünfzehn bis sechzehn Jahren zu einem gewissen Stillstand.
Das Hauptprinzip der Entwicklung der spezifischen neuronalen Verknüpfungsstruktur im Gehirn besteht darin, dass anfänglich mehr, zum Teil sehr viel mehr Synapsen ausgebildet werden, als später gebraucht werden. Das heißt, es findet zuerst eine Überproduktion von Synapsen und dann eine drastische Reduktion statt. Man nimmt an, dass es unter den Milliarden und Abermilliarden von Synapsen lokal zu einem Konkurrenzkampf kommt, der im Wesentlichen um Nähr- und Wachstumsstoffe (so genannte trophische Faktoren ) geführt wird, aber auch um ein Mindestmaß an neuronaler Erregung. Erhält nämlich eine Synapse zu wenig von all dem, dann stirbt sie ab. Dies führt dazu, dass zuerst diffuse, d. h. unspezifische synaptische Verknüpfungen angelegt werden, die anschließend über den Konkurrenzkampf zwischen Synapsen selektiv und adaptiv reduziert werden. Dadurch wird das jeweilige Netzwerk effizienter gemacht. Bei der Versorgung mit hinreichender neuronaler
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