Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
dieser Faktoren. Ist nur ein Faktor negativ, so zeigt sich – von schweren genetischen Belastungen und Schäden in der Hirnentwicklung abgesehen – meist keine abnorme Persönlichkeitsentwicklung. Bei einem gemeinsamen Auftreten von zwei der drei Faktoren können sich hingegen schon deutlichere Entwicklungsauffälligkeiten ergeben, die aber – rein theoretisch – noch therapiefähig sind. Doch beim Zusammentreffen aller genannten Faktoren sieht die Prognose sehr ungünstig aus.
Dieses Interaktionsmodell gilt natürlich nicht nur für sozial abweichendes, sondern auch für ganz normales Verhalten, wie wir bereits gehört haben. Fast nie ist es ein Faktorbereich allein, Gene bzw. Hirnentwicklung, Bindung oder Umwelt, der die Persönlichkeit und ihre Entwicklung bestimmt, sondern eine positive oder negative Kombination dieser Faktoren.
Wovon hängt die Zufriedenheit ab, und wie beständig ist sie?
Regelmäßig kann man in der Tageszeitung oder in Boulevardzeitschriften Aussagen wie »Die Deutschen sind ein Volk von Unzufriedenen« oder »Die Ostdeutschen sind alle Meckerer« lesen. Allgemein glaubte die Mehrheit der Deutschen, sie seien eher unzufrieden. Erst die Fußballweltmeisterschaft (»Deutschland – ein Sommermärchen«) habe sie zufriedener und optimistischer gemacht, und schwupp sei es auch mit der Volkswirtschaft wieder aufwärts gegangen. Dass es seit der zweiten Hälfte des Jahres 2006 volkswirtschaftlich aufwärts ging, ist unbestritten. Dass dies mit einem steigenden Optimismus der Leute zusammenhängt, der wiederum auf den – relativ – günstigen Ausgang der letzten Fußballweltmeisterschaft für die Deutschen zusammenhängt, ist nicht wissenschaftlich belegt, und dass die Deutschen ein Volk von Unzufriedenen sind, ist erwiesenermaßen falsch.
Letzteres herauszufinden ist nicht leicht, denn hier muss man einen enormen Aufwand an Befragung treiben. Dies geschieht zum Beispiel in einer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin betriebenen und »Sozio-ökonomisches Panel« (SOEP) genannten Untersuchung. Diese Untersuchung umfasst eine Befragung von 12 000 deutschen Privathaushalten mit insgesamt mehr als 20 000 Personen, die seit dem Jahr 1984 zuerst in Westdeutschland und später auch in den neuen Ländern in einem jährlichen Rhythmus durchgeführt wird, d. h. es werden immer dieselben Personen befragt. Gefragt wird nach der Haushaltszusammensetzung, der Erwerbstätigkeit und dem Schicksal der Familienangehörigen, der beruflichen Mobilität, der Einkommensentwicklung, aber auch nach der Gesundheit und – insbesondere – der Zufriedenheit. Neuerdings werden auch andere Persönlichkeitsmerkmale erhoben.
Das Persönlichkeitsmerkmal »Zufriedenheit« ist von besonderem Interesse, denn hier gibt es – siehe oben – die unterschiedlichsten Alltagsvorstellungen. In der Wissenschaft galten lange Zeit Selbstwertgefühl und Zufriedenheit als Merkmale, die nur eine geringe Stabilität aufweisen, denn diese Merkmale schienen stark von den wechselnden Lebensumständen abzuhängen. Dies stand und steht in deutlichem Gegensatz zu Untersuchungen des amerikanischen Sozialpsychologen Brickman und seiner Kollegen aus den 70er und 80er Jahren (Brickman und Campbell, 1971). Brickman glaubte herausgefunden zu haben, dass Menschen im Großen und Ganzen eine stabile, eher neutrale Haltung gegenüber dem Leben einnehmen und dass große positive oder negative Ereignisse im Leben des Einzelnen nur einen vorübergehenden Effekt haben. Als Stütze für diese Aussage führt er auch heute noch populäre Befunde an, z. B. dass Lotteriegewinner längerfristig nicht glücklicher sind als diejenigen, die nie eine größere Summe gewonnen haben, und dass Körperbehinderte oder Blinde nicht unglücklicher sind als körperlich Unversehrte oder Sehende.
Diese Theorie wird »hedonische Tretmühle« genannt. Man will damit ausdrücken, dass man sich in der Suche nach dem Glück abmühen kann wie man will, man kehrt nach dem kurzen Glücksrausch wieder in den alten und eher neutralen Emotionszustand zurück; dasselbe gilt natürlich auch für das Negative im Leben. Der Grund ist nach dieser Theorie ein äußerst effektiver emotionaler Adaptationsmechanismus in unserem Gehirn: Jeder Glücksrausch schwindet schnell dahin, aber auch jeder Schmerz wird durch die Zeit gelindert.
Untersuchungen neuerer Art, denen auch die oben erwähnten Daten des SOEP zugrunde lagen, bestätigten diese Theorie
Weitere Kostenlose Bücher