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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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zumindest im Grundsatz. Es zeigte sich in der Tat, dass stärkere positive/freudige oder negative/schmerzhafte Ereignisse wie der Lottogewinn oder der Tod des Lebenspartners nur für wenige Monate das Gefühlsleben eines Menschen deutlich beeinträchtigen, danach beginnt für die meisten Menschen wieder die Rückkehr zum individuellen emotionalen Gleichgewicht. Es gab aber auch deutliche Korrekturen: Entgegen der allgemeinen Auffassung zeigte sich nämlich, dass die meisten Menschen in ihrer generellen Lebenshaltung eher positiv bzw. glücklich als negativ bzw. unglücklich sind. Verhaltensgenetische Untersuchungen wiesen zudem nach, dass diese eher positive Haltung zum beträchtlichen Teil genetisch bedingt ist (vgl. Diener, Lucas und Scollon, 2006), wodurch sich ihre Stabilität erklärt. Weiterhin stellte sich heraus, dass Zufriedenheit kein einheitliches Phänomen ist, sondern sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt, die sich unterschiedlich entwickeln können. So bleibt die Lebenszufriedenheit vom 20. bis 60. Lebensjahr fast völlig konstant, und die Zufriedenheit mit dem häuslichen Leben und der Arbeit steigt in diesem Zeitraum sogar an. Die positive Stimmung nimmt mit weiter voranschreitendem Alter hingegen leicht ab – aber es sinkt auch die negative Stimmung, wenngleich nicht so stark wie die positive, d. h. man wird zum Alter hin meist etwas gleichgültiger.
    Die individuelle Strategie der Bewältigung von Belastungen (das »Coping«) ist ganz offenbar ausschlaggebend für die Lebenszufriedenheit. Nach Diener und Mitarbeitern (2006) sind diejenigen Personen, die sich bewusst mit Lebensproblemen auseinander setzen, zufriedener als diejenigen, die diese Probleme verdrängen. Solche Bewältigungsstrategien hängen natürlich eng mit den individuellen Persönlichkeitseigenschaften zusammen: Personen mit einem hohen Grad an Neurotizismus und Introversion zeigen schlechte Bewältigungsstrategien im Gegensatz zu offenen, extravertierten Persönlichkeiten. Insgesamt zeigt sich, dass die höchst moralische Warnung, man soll im Leben nicht zu sehr dem Glück hinterherjagen, eine reale Basis besitzt: Glücklich – oder besser zufrieden – ist man überwiegend aufgrund genetischer und frühkindlich erworbener Ausrüstung, und positive oder negative Lebensereignisse führen bei den meisten Menschen nur zu vorübergehenden Abweichungen von dieser höchst individuellen Zufriedenheits-Norm .
    Dass Menschen tatsächlich eine solche individuelle Zufriedenheits-Norm haben, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie des australischen Sozialpsychologen Bruce Headey, der auch die SOEP-Daten zugrunde lagen (Headey, 2006). Dabei ergab sich Folgendes: Die meisten Menschen sind in ihrer positiven oder negativen Lebenshaltung sehr stabil, aber eine deutliche Minderheit zeigt starke Schwankungen. Antizipation , also das vorherige Sich-Einstellen auf etwas, und Habituation , d. h. Gewöhnung an Geschehnisse, sind die stärksten Abschwächungsfaktoren für »aufregende« Lebensereignisse. Sieben Muster werden ersichtlich, die sich auch mit den Persönlichkeitsfaktoren Extraversion und Neurotizismus gut verbinden lassen. Der erste und häufigste Typ ist der »ausgeglichene Typ«: Er hat mittlere Werte für Extraversion und Neurotizismus und erlebt subjektiv meist nur mäßige positive oder negative Ereignisse – schockartige emotionale Erlebnisse sind selten bzw. werden schnell weggesteckt. Der zweite und der dritte Typ verhalten sich spiegelbildlich zueinander: Die »ständigen Optimisten« haben hohe Extraversionswerte und mittlere bis niedrige Neurotizismuswerte, erleben positive Ereignisse intensiv und negative weniger intensiv; bei den »ständigen Pessimisten« ist dies genau umgekehrt. Der vierte Typ zeigt über alles gesehen eine indifferente Lebenshaltung, aber die Abweichungen nach oben (Extraversion, Erleben positiver Ereignisse) und nach unten (Neurotizismus, Erleben negativer Ereignisse) sind viel stärker als beim ersten Typ. Der fünfte Typ ist wiederum das genaue Gegenteil des vierten Typs in dem Sinne, dass alle Abweichungen geringer sind als beim ersten Typ. Man könnte diesen Typ auch als gefühlsarm ansehen.
    Bei einer Minderheit gibt es in den mittleren Werten der Lebenszufriedenheit deutliche Brüche nach oben oder nach unten (sechster und siebter Typ), und zwar aufgrund größerer positiver oder negativer Ereignisse. Es sind die »Jumper«. Dies bedeutet: Der Millionen-Lottogewinn kann durchaus

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