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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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Strafe beruht auf Angst, die meist das Verhaltensrepertoire einschränkt und nicht erweitert. Strafe zieht in aller Regel Verhaltensweisen nach sich, die darauf aus sind, weitere Strafen zu vermeiden, aber nicht in kreativer Weise neue, positive Verhaltensweisen zu etablieren. Strafe wirkt de-motivierend , denn man kann an der missbilligten Verhaltensweise nichts mehr ändern. Strafe verängstigt, auch wenn sie aus Sicht des Bestrafenden gerecht ist.
    Es soll nicht ausgeschlossen werden, dass Strafe manchmal notwendig ist, wenn bestimmte extrem unerwünschte Verhaltensweisen schnell unterdrückt werden sollen. Strafe muss dann einen genauen und zeitnahen Bezug auf eine bestimmte missbilligte Verhaltensweise haben, und sie muss – das ist ein ethisches Problem – eine Stärke haben, die ausreicht, um die Verhaltensweise deutlich zu unterdrücken. Zu milde Strafen können sogar einen verstärkenden Einfluss auf das missbilligte Verhalten haben, wenn der Bestrafte daraus bewusst oder unbewusst den Schluss zieht, dass es der Bestrafende mit der Strafe nicht sehr ernst meint!
    Am allerschädlichsten ist eine inkonsequente Bestrafung, in der Regel eine Kombination von überharter Bestrafung und Ignorieren; Letzteres wirkt häufig als vorübergehende Verstärkung. Ein gängiges Beispiel ist das verspätete Nachhausekommen eines oder einer Jugendlichen von einer Verabredung oder der Disco. Der Vater bestraft beim ersten Mal das Zuspätkommen überhart, ignoriert es beim zweiten Mal vollkommen, um es beim dritten Mal wieder zu bestrafen. Diese Inkonsequenz macht jeden möglichen erzieherischen Effekt der Bestrafung zunichte, indem der oder die Jugendliche lernt, dass der Vater entweder kein klares Erziehungskonzept hat oder dass er willkürlich und damit ungerecht bestraft.
    Es hat sich gezeigt, dass Strafe nur unter zwei Bedingungen längerfristig wirksam ist. Die eine Bedingung besteht darin, dass eine Bestrafung mit einer positiven Konditionierung oder einer möglichen Belohnung verbunden ist. Zum Beispiel kann man dem Mitarbeiter mitteilen, dass er in einen bestimmten Bereich Fehler begangen hat, für die er geradestehen muss, dass aber gute Ansätze vorliegen, aus denen sich möglicherweise eine Belohnung ergeben könnte. Generell muss der Lehrer oder Vorgesetzte eine Möglichkeit aufzeigen, wie man einer weiteren Bestrafung entgehen kann. Die andere Bedingung, unter der Strafe überhaupt wirksam ist, ist die Verbindung mit Reue, wenn also der Bestrafte die Strafe als gerecht bzw. verdient akzeptiert. Reue versetzt eine Person in einen tiefen emotionalen Aufruhr, der einer Gehirnwäsche gleichkommt und die Person für Belehrungen jeglicher Art empfänglich macht. Nicht umsonst spielt die Kombination von Strafe und Reue in religiösen (oder sektiererischen) Bewegungen und Gruppen eine große Rolle.
    Wir sehen, dass Strafe nicht allein aus moralischen, sondern auch aus ganz praktisch-pädagogischen Gründen – mit Ausnahme der Kombination mit Reue – meist keine gute pädagogische Maßnahme ist. Das Unterdrücken vieler missbilligter Verhaltensweisen kann weitaus effektiver durch Nichtbeachtung erreicht werden, insbesondere bei solchen Verhaltensweisen, bei denen eine Person die Aufmerksamkeit einer anderen Person auf sich lenken wollte. Alltägliche Beispiele sind das »Unsinnmachen« von Kindern, um die Aufmerksamkeit der Eltern zu erregen, oder das Stören im Unterricht. Solche Verhaltensweisen sind nicht nur (aber gelegentlich auch) das Abbauen überschießender motorischer Energien, sondern das Betteln um Aufmerksamkeit und Anerkennung. Merken das Kind oder der Jugendliche, dass die Störungen zu keinem Erfolg führen, dann unterlassen sie in aller Regel nach einiger Zeit (die allerdings lang werden kann) ihr Verhalten. Es gibt dabei jedoch zwei Dinge zu bedenken. Wenn der Lehrer nach der fünften Störung entnervt den Störenfried anschreit, dann verstärkt er dessen Verhalten, denn der Störenfried wird in der Annahme bestärkt, dass er mit seinen Störungen die Aufmerksamkeit des Lehrers auf sich lenken kann. Richtig ist es also, so lange zu warten, bis sich der Störenfried beruhigt hat, und dann kann man sich ihm »gefahrlos« zuwenden und ihm die Aufmerksamkeit widmen, die er braucht.
    Das Ganze funktioniert selbstverständlich nicht, wenn der Störenfried (was leider nicht selten vorkommt) unter dem »Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom« (ADHS) leidet. Dann ist jedes pädagogische Geschick des

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