Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Anpassungsfähigkeit und Gewöhnung zusammen, wobei das Ausmaß der Anpassungsfähigkeit und Gewöhnung wiederum genetisch bedingt ist. Den Schluss hieraus zu ziehen, dass Menschen überhaupt nicht zu ändern wären, wäre unangemessen. Nur ist der Grad der Veränderbarkeit viel geringer, als man unter dem Einfluss des Behaviorismus und seines »Erziehungsoptimismus« glaubte und zum Teil noch glaubt (siehe Exkurs 3).
Nun ist am amerikanischen Behaviorismus keineswegs alles falsch – im Gegenteil. Das große Verdienst der Behavioristen war es, die Bedingungen der Veränderbarkeit des Verhaltens bei Tieren und Menschen genau zu untersuchen, also das, was man »Lernen« oder »Verhaltensanpassung« nennt. Dies konnte nur unter höchst standardisierten Bedingungen und mit geeigneten Versuchs-»Objekten« geschehen. Tierisches und menschliches Lernverhalten ist unter Normalbedingungen von verwirrender Vielfalt und überdies schwer exakt zu erfassen, insbesondere weil neben der Komplexität und Dynamik viele subjektive Dinge von Seiten des Beobachters eingehen. Deshalb trachteten Skinner und seine Mitstreiter danach, die Versuchsbedingungen radikal zu vereinfachen, damit man Ratten, Tauben, Hunde und Menschen wirklich vergleichen konnte, und auch die zu untersuchenden Reiz-Reaktions-Beziehungen sollten möglichst klar und einfach sein, damit nichts hineininterpretiert werden konnte und die Daten für sich sprachen. Dies bedeutete, dass man alles standardisierte, was man nur standardisieren kann, und sich auf diejenigen Typen und Individuen von Versuchstieren oder Versuchspersonen beschränkte, die gut »mitmachten«, sowie auf diejenigen Reize und Reaktionen, die gut »funktionierten« (vgl. Angermeier, 1976).
Eine solche radikale Vereinfachung und Standardisierung geht natürlich auf Kosten der Verallgemeinerbarkeit der Versuchsergebnisse. Man kann schließlich nur sagen, wie sorgfältig vorgetestete Tiere und Menschen unter bestimmten Laborbedingungen lernen. Ob dies mit natürlichem Lernverhalten zu tun hat, ist dann wieder eine komplizierte Frage. Um die Veränderbarkeit des Menschen in seinem Alltagsleben geht es aber im vorliegenden Fall. Dennoch: Was in den nunmehr rund hundert Jahren experimenteller Lernforschung herauskam, war die Tatsache, dass sowohl bei der klassischen als auch bei der operanten Konditionierung Gesetzmäßigkeiten der Veränderbarkeit des Verhaltens auftreten, die ganz allgemein für jedes Lebewesen gelten, das ein einigermaßen komplexes Verhalten zeigt. Dies ist auf den ersten Blick überraschend, da nicht nur die Lebensweisen und Umwelten dieser Tiere höchst verschieden sind, sondern auch deren Gehirne. Überdies ist es natürlich vielen Menschen unangenehm, dass sie in vielen Bereichen ihres Lernverhaltens »den Tieren« ähnlich sind, aber das ist nur eine der vielen Kränkungen, welche die modernen Verhaltens- und Neurowissenschaften dem Menschen zugefügt haben.
Welches sind nun die Grundzüge des Lernens und der Verhaltensänderung, die sich bei Tieren und beim Menschen gleichermaßen zeigen? Grundlegend hierfür ist die individuelle Bedürfnisstruktur des Organismus und seine Beziehung zu bestimmten Umweltereignissen. Für den Organismus gilt es herauszubekommen, welche Ordnungsbeziehungen zwischen Umweltereignissen bestehen, die geeignet sind, die individuellen Bedürfnisse (natürlich auch diejenigen, die sozial vermittelt sind) zu befriedigen. Die wichtigste Erkenntnis lautet: Verhaltensänderungen treten vornehmlich dann ein, wenn der Organismus einen Vorteil von dieser Veränderung hat, wobei der Vorteil auch im Vermeiden oder Beenden eines Nachteils liegen kann.
Im Folgenden wollen wir uns auf dasjenige konzentrieren, was »operante« oder »instrumentelle Konditionierung« oder »Lernen am Erfolg« genannt wird. Vorab aber müssen wir ein klares Wort zur Vermeidung von Missverständnissen sagen. »Konditionierung« hat den üblen Beigeschmack von menschenverachtender Manipulation: Man drückt auf einen Knopf, und ein Mensch tut genau das, was man von ihm verlangt. Eine solche Auffassung ist aber ganz falsch. Erstens läuft eine Konditionierung nie mit einem solchen Automatismus ab (dann wäre die experimentelle Lernforschung nicht häufig so frustrierend, wie sie ist), und zweitens ergeben sich bei der Frage, wie man per Konditionierung eine längerfristige Verhaltensänderung erreicht, Antworten, die in eine sehr humane Richtung gehen, wie wir sehen werden (z. B. bei
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