Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
der Ablehnung von Strafe). Im Übrigen beruht eine wichtige und wirksame Form der Psychotherapie, die kognitive Verhaltenstherapie, auf den Prinzipien der operanten Konditionierung.
Ein Tier oder ein Mensch soll dazu gebracht werden, eine bestimmte neue Verhaltensweise zu zeigen. Dies bedeutet immer, dass es bzw. er eine vorhandene Verhaltensweise abändert. Sofern es/er dies macht, geschieht dies – wie bereits gehört –, weil die Verhaltensänderung (bzw. das Ausführen eines neuen Verhaltens) mit einem positiven Effekt verbunden ist, der auch für die Zukunft erwartet wird. Dieser positive Effekt – so die Lehrmeinung – wirkt befördernd auf eine bestimmte Verhaltensweise, so dass sie in ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit erhöht oder verstärkt wird. Deshalb nennt man die operante bzw. instrumentelle Konditionierung auch »Verstärkungslernen« (englisch »reinforcement learning«). Man unterscheidet dabei Strafe, positive Verstärkung und negative Verstärkung. Positive Verstärkung ist genau das, was man gemeinhin Belohnung nennt, also das Eintreten einer angenehmen Situation, negative Verstärkung ist nicht etwa Bestrafung, wie man meinen könnte, sondern das Vermeiden oder Beenden einer unangenehmen Situation. Bestrafung unterscheidet sich in bedeutsamer Weise von positiver und negativer Verstärkung. Deshalb wollen wir sie zuerst betrachten.
Bestrafung
Strafe ist entweder als direkte Bestrafung das Zufügen eines körperlichen oder psychischen Schmerzes oder als indirekte Bestrafung der Entzug eines positiven Zustandes (»zur Strafe dürft ihr heute nicht fernsehen!«). Beide Formen haben teilweise sehr unterschiedliche Wirkungen auf das Verhalten des Bestraften. Direkte Bestrafung bedeutet auch die Erzeugung von Furcht bzw. Angst: Der Bestrafte entwickelt die Befürchtung, dass er demnächst wieder bestraft wird. Verhaltensändernd ist also nicht nur der körperliche oder psychische Schmerz, der durch die Strafe erlitten wird, sondern auch die Furcht vor neuer Strafe.
Strafe ist die am wenigsten wirksame Form instrumenteller Konditionierung, weil sie vielfältige und vom Bestrafenden meist nicht oder nicht gut kontrollierbare Folgen hat. Erstens führt Bestrafung längerfristig fast nie zu einer vollständigen Unterdrückung der unerwünschten Verhaltensweise. Ein bestimmtes Verhalten, für das eine Person bestraft wird, wird von dieser Person meist nur vorübergehend unterlassen, und bald zeigt sich eine Tendenz, das Verbotene bzw. Unerwünschte wieder zu tun, insbesondere auch, weil die Bestrafung die Attraktivität des Verbotenen erhöht und die Aufmerksamkeit des Bestraften besonders darauf lenkt. Man spricht deshalb auch vom »Reiz des Verbotenen«: Manche Dinge werden erst dadurch attraktiv, dass sie verboten sind. In aller Regel muss in bestimmten Abständen bestraft werden, um die Auftrittshäufigkeit der unerwünschten Handlung niedrig zu halten. Diese Wiederholung erhöht aber zugleich die Wahrscheinlichkeit, dass die Strafe an Wirkung verliert, d. h. der Bestrafte sich auf die Strafe einstellt, sich an sie gewöhnt, und dass ihre Wirkung dadurch vermindert wird.
Zweitens wirkt die Beendigung einer Bestrafung als Verstärker für die bestrafte Handlung. Der bisher Bestrafte hat die Sache ausgesessen und sich dadurch gegen den Bestrafenden durchgesetzt. Jemand, der von seinem Vorgesetzten für seine Unpünktlichkeit mehrfach gerügt wurde, wird erst recht unpünktlich sein, wenn der Vorgesetzte resigniert und sich mit der Unpünktlichkeit des Mitarbeiters abgefunden hat. Drittens erregt Bestrafung beim Bestraften in der Regel negative Gefühle, z. B. Hass, gegenüber dem Bestrafenden, insbesondere aufgrund des meist vorhandenen Gefühls, ungerecht behandelt zu werden. Hieraus ergibt sich meist das Bedürfnis nach Rache. Aber auch ohne ein explizites Rachebedürfnis hat Strafe als negatives Ereignis den Effekt, auf den Strafenden abzufärben, selbst wenn dieser objektiv gerecht straft – ein Strafender ist immer irgendwie im Unrecht. Viertens sind die Konsequenzen der Bestrafung nicht kontrollierbar – der Bestrafte wird Ersatzhandlungen zeigen, die nicht im Sinne des Bestrafenden sind, z. B. seine Wut an Dritten auslassen. Der Bestrafte generalisiert in der Regel seine Wut oder Angst und sucht nach Ersatzobjekten.
Insgesamt kann man durch Strafe eine bestimmte Verhaltensweise zwar vorübergehend unterdrücken, nicht aber eine neue Verhaltensweise langfristig etablieren, denn
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