Perth
Perth sich durch die Hecke und lief zu den angrenzenden Feldern. Dann blieb sie stehen und blickte still zum Horizont, während sie die Aussicht und die Landschaft in sich aufnahm. Sie drehte sich zu uns um, so als wollte sie sagen: »Ihr müsst es kaufen. Ich möchte den Rest meines Lebens hier verbringen .« Dann legte sie sich, den Blick in die Ferne gerichtet, in der Sonne aufs Gras.
Wir gingen ins Cottage hinein, um mit Mrs. Holmes zu sprechen. Sie war fünfundachtzig Jahre alt, und im Haus stank es ekelhaft nach Fisch, den sie gerade für ihre Katze kochte. Die Teppiche waren abgenutzt, die Wände mussten neu verputzt werden, es war kalt und feucht, und die Küche war in einem erbärmlichen Zustand. Die Treppe zum Schlafzimmer im ersten Stock war wie eine Leiter. Das Cottage war in einem so traurigen Zustand, dass Tante Kath uns dringend riet, höherem Verlust vorzubeugen und es wieder zu verkaufen, als sie ein paar Wochen, nachdem wir das Haus gekauft hatten, aus Surrey kam, um es anzusehen. Das Bad war schäbig. Die krönenden Elemente waren eine alte ausgebleichte Badewanne und eine Toilette, die nicht für die menschliche Anatomie geschaffen zu sein schien. Man betätigte die Spülung mittels einer dieser alten Ketten, die von oben herabhängen.
Aber die alten Teile des Hauses waren unverdorben und unverändert, so wie vor Hunderten von Jahren. Es war wie eine Art Zeitreise. Seitdem das Cottage gebaut worden war, waren fast sechshundert Jahre menschlicher Geschichte vergangen. Shakespeare hatte seine Stücke geschrieben. Die italienische Renaissance war gekommen und wieder gegangen. Dschingis Khan und Peter der Große hatten ihre Reiche geschaffen und waren wieder in Vergessenheit geraten. Viele verheerende Kriege waren geführt worden, in denen Millionen abgeschlachtet worden waren. Aber innerhalb dieser dicken Steinmauern war fast nichts passiert. Lediglich einfache Menschen mit einfachen Lebensgeschichten hatten hier gelebt und waren hier gestorben. Niemand erzählte ihre Geschichten und niemand wird es je tun. Abgesehen von einem dicken Fleischerhaken in einem der Balken, zahlreichen Flecken im Holz und ein paar gebogenen Eisennägeln, an denen jahrhundertelang Kleider und andere Habseligkeiten gehangen hatten, gab es nichts, was uns von ihren Hoffnungen, Niederlagen, Siegen und Tragödien, ihrer Liebe und ihrem Hass erzählen konnte. Die schwach beleuchteten Räume waren, wie der Dichter Keats einmal gesagt hat, Zeugen »langsamer Zeit und Stille«. Nur der Geist der Bewohner war geblieben, und wir fragten uns, wie viele Gewalttaten hier wohl stattgefunden hatten; wie viele Liebende sich eng umschlungen hielten; wie viele Kinder von der unendlichen Welt außerhalb der trüben Fenster träumten, während sie auf dem Schoß der Alten saßen.
»Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen«, sagte Mrs. Holmes. »Ich wollte demnächst dem Schauspieler Richard Widmark schreiben und ihm das Appletree Cottage anbieten. Er will es seit Jahren haben, seitdem er hier einmal in einem Film mitgespielt hat. Aber wenn Sie es wollen, bekommen Sie es .« Sie hatte Gefallen an uns gefunden.
Sie nannte uns einen Preis, und wir sagten sofort zu. Zwei Monate später waren wir eingezogen. Sie selbst zog in die nahe gelegene Stadt Arundel . Wir begannen, die Wände zu verputzen und zu streichen, die Böden zu betonieren, Teppiche zu verlegen, eine neue Treppe einzubauen, die Rohre und die elektrischen Leitungen neu zu verlegen und die Heizung zu verbessern. Davon abgesehen taten wir nichts, was die Struktur und den Charakter des Hauses verändert hätte. Wir sahen uns als vorübergehende Betreuer in der langen Geschichte seines Lebens. Für uns wurde es ein Lebensstil. Jeder träumt von einem bestimmten Haus. Das Appletree Cottage war unser Wachtraum.
Darüber hinaus gab es ein gutes Omen. Das Cottage liegt am oberen Ende des Dorfes, und jahrhundertelang holten die Bewohner ihr Wasser aus einem vierundzwanzig Meter tiefen Brunnen, der sich genau auf der anderen Seite der Hecke befand, neben Bury Hollow , einer tief eingeschnittenen kleinen Straße, oberhalb derer das Cottage etwas gefährlich steht. Alle Dorfbewohner hatten das Recht, den Brunnen zu nutzen. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurde er allerdings immer weniger genutzt, da die meisten Cottages an diesem Ende des Dorfes bereits mit Wasserleitungen ausgestattet waren. Das Wasser stand aber nach wie vor in einer Tiefe von vierundzwanzig Metern zwei Meter
Weitere Kostenlose Bücher