Perth
geschah kaum etwas in der Weise und zu der Zeit wie bisher. Ständig war man geschäftig zugange, man kümmerte sich um diesen oder jenen Notfall, besorgte etwas für das Baby, wickelte und fütterte das Baby, ging mit dem Baby spazieren, hielt das Baby. Wenn wir es uns gerade im Garten bequem gemacht hatten, um mit einem Buch und einer Tasse Tee zu entspannen, schrie Andrew und tat damit kund, dass er etwas brauchte.
Perth hatte so etwas in unserer Familie noch nie erlebt. Morgens flüchtete sie durch die Hecke und war stundenlang verschwunden. Meistens ging sie zuerst zum Fluss. An den grünen üppigen Ufern gab es im Spätsommer und Frühherbst zahlreiche Enten, Gänse, Schwäne und viele Nager und Kaninchen, die ihr Interesse weckten. Sie arbeitete sich kilometerweit flussauf- und flussabwärts und schnupperte in unzählige geheimnisvolle Löcher hinein. Tief unten am Boden der Löcher befanden sich emsige kleine »Haushalte« von Tieren wie in dem Buch Der Wind in den Weiden und ließen sich durch sie nicht im Mindesten aus der Ruhe bringen. Aber sie konnte die warmen, pelzigen Tiere dort unten riechen und so ging sie von einem Loch zum nächsten, in der Hoffnung, eines Tages zu erkennen, woher diese verlockenden Düfte stammten. Dann lief sie weiter zu den Hügeln. Manchmal kam sie erst am späten Nachmittag wieder, manchmal auch erst abends, verdreckt, keuchend und durstig.
In diesen frühen Wochen nach Andrews Ankunft gab es etwas, das uns besondere Sorgen machte. Wenn wir ihn auf den weichen Rasen legten oder auf den Teppich im Wohnzimmer und Perth auch da war, wie würde sie dann wohl mit ihm umgehen? Wir wussten, dass sie ihn niemals ablecken würde. Sie würde ihn bestimmt beschnuppern. Aber Babys strampeln plötzlich und rudern heftig mit ihren Armen und sie krabbeln herum. Was wäre, wenn Perth tief und fest auf dem Rasen schlief, Andrew leise zu ihr krabbelte und, wie es Babys manchmal tun, mit seinem Kopf heftig gegen ihren stieß? Würde sie einfach aufstehen und weggehen, oder würde sie tun, was sie früher bei anderen Plagegeistern getan hatte, nämlich nach ihm schnappen?
Ich sprach mit ihr darüber. Ich lag auf dem Rasen neben ihr und bat sie inständig darum einzusehen, dass Andrew klein und hilflos war und dass er ein toller Freund und Begleiter für sie sein würde, wenn er älter wurde. Sie musste Geduld haben. Alles würde besser werden.
»Was du auch tust, Hündchen«, flüsterte ich in ihr Ohr, »schnapp nicht nach ihm, und schon gar nicht nach seinem Gesicht. Wenn du das tust, könnte es für den Rest seines Lebens eine Narbe in seinem Gesicht hinterlassen. Ich weiß, dass es schwer sein wird, wenn er über dich drüberkrabbelt und dich betatscht. Aber geh dann einfach weg und lass ihn in Ruhe. Bitte, Perth, werd nicht böse und ungeduldig mit ihm .« Sie war schön wie eh und je, als sie dort auf dem Rasen lag. Lind stark. Wir konnten nur hoffen, dass das Vertrauen, das wir in sie hatten und dessen sie sich bewusst war, ausreichte, um Andrew zu beschützen. Eins wussten wir sicher: Wir würden sie nie trennen. Sie mussten lernen, miteinander zu leben. Wir lagen häufig auf dem Bett oder dem Rasen und hatten Perth zwischen Andrew und uns. Wir knuddelten beide, damit sie sich nie vernachlässigt fühlte.
Andrew betatschte sie viele Male heftig, und wenn wir es sahen, blieb unser Herz für ein paar Sekunden stehen. Meistens ignorierte Perth ihn einfach. Sie hatte den Eindringling widerwillig akzeptiert, aber das war auch schon alles.
Drei oder vier Wochen nach Andrews Geburt taten wir etwas, das Perths Verhalten ihm gegenüber veränderte. Mit Andrew in einem Tragegestell auf meinem Rücken wanderten wir alle zusammen in die Downs . Wir wollten die Landschaft so früh wie möglich in seine Vorstellungswelt hineinlassen. Vielleicht würde er dann auf eine mystische Weise mit der Natur verbunden sein. Er würde einer ihrer Schüler sein, mutig und mit einem freien Geist. Einige werden nun denken, dass das Unsinn ist, nichts als die eitlen Gedanken stolzer Eltern, die, was ihr Kind betrifft, größenwahnsinnig sind. Andere werden der Ansicht sein, dass es viel zu früh und riskant war, ein Kind in dem Alter mit auf eine kilometerlange Wanderung in die windigen Berge zu nehmen. Aber Andrew liebte es und weinte kein einziges Mal. Perth blieb die ganze Zeit bei uns, was völlig untypisch für sie war. Auf dem Weg geschah etwas, das ihr Gefühl dem Baby gegenüber veränderte. Ich glaube,
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