Perth
sagte uns, dass das Appletree Cottage vierhundert Jahre alt sei, aber es stellte sich heraus, dass es fast sechshundert Jahre alt war. Es war ursprünglich das Haus einer Bauernfamilie gewesen, das zum Bury Landgut aus dem elften Jahrhundert gehörte, welches sich beim Fluss befand. Es war aus dem weichen, honigfarbenen Sandstein erbaut, der sich in diesem Teil des Dorfes fünfundvierzig Zentimeter tief unter der Erde befindet. Ursprünglich war es ein mittelalterliches Haus, das aus einem einzigen großen Raum bestand, der mit rauen Sparren bedeckt war, auf denen eine dicke Reetschicht befestigt war. Die Bauern, die im fünfzehnten Jahrhundert darin lebten, zündeten ein Feuer in der Mitte des Raums an und ließen den Rauch zwischen den Sparren und durch die Wände entweichen. Es war ihr Herd. Sie kochten über dem Feuer und saßen mit ihren Kindern bis spätabends im Kreis drumherum , während die verlöschende Glut Schatten an die grobbehauenen , unverputzten Wände warf. Zum Schlafen legten sie sich neben dem Feuer auf den Lehmboden. Häufig teilten sie ihren Wohnraum mit verschiedenen Tieren, nicht nur mit so freundlichen Haustieren wie Perth, sondern mit Hühnern, Gänsen, Schafen und anderen Farmtieren. Es war ein raues Leben, das geprägt war von Dunkelheit, Kälte, Hunger und Gestank, und hatte nichts mit dem idyllischen ländlichen Dasein zu tun, das häufig in der englischen Literatur und Malerei dargestellt wird. Darüber hinaus war die Familie meistens bis auf die Knochen erschöpft.
Irgendwann im sechzehnten Jahrhundert wurde dann eine Holzbalkendecke in den Raum eingezogen, so dass oben zwei Schlafzimmer entstanden. Die mächtigen Balken stammen zweifellos von einem Schiffswrack. Zur selben Zeit wurde ein Kamin an einer Seite des Gebäudes gebaut und dazu eine Kaminecke im Erdgeschoss. Über dem offenen Kamin befindet sich ein weiterer riesiger, über zwei Meter langer Holzbalken. Große und kleine Nägel haben vor Hunderten von Jahren ihre Abdrücke in dem alten Holz hinterlassen, die immer noch sichtbar sind. Die Kaminecke ist so groß, dass zwei oder drei Menschen bequem kochen, Brot backen oder einfach darin sitzen können. Seitlich befindet sich ein mit Ziegelsteinen eingefasster Ofen, der in die dicken Wände versetzt ist. Im siebzehnten Jahrhundert wurde an einer Seite des Hauses angebaut, so dass ein zusätzliches Zimmer unten und eins oben hinzukam . Bis zum zwanzigsten Jahrhundert blieb das Cottage unverändert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein gekachelter Flügel an der Rückseite angebaut, in dem sich eine Küche und ein Bad befanden.
Von der Straße aus gesehen, schien das Cottage mit seinen wunderschönen Steinmauern und der dicken Reetbedeckung uns anzuflehen, es zu kaufen. Wir ahnten nicht, was wir auf der Rückseite finden würden. Als wir am ersten Tag mit Mrs. Holmes über den Verkauf des Hauses sprechen wollten, verschlug es mir den Atem, als ich um das Cottage herumging und in den knapp einen halben Hektar großen Garten kam. Der Garten war zauberhaft, aber der Ausblick war fantastisch, geradezu poetisch. Hinter der sechzig Meter langen Hecke und den unzähligen Narzissen breitete sich am Rande des Gartens ein mit Weizen oder Gerste bestandenes Feld nach dem anderen aus. Sie wurden durch endlose Hecken zusammengehalten und fielen ost- und nordwärts leicht zum Fluss Arun ab. Jenseits des Flusses befanden sich wilde Feuchtgebiete, über denen die romantische, märchenhafte Burg Amberley Castle aus dem zwölften Jahrhundert thronte, die allem, was man in der Toskana finden kann, ebenbürtig ist. In größerer Entfernung waren die Downs und dichte Wälder zu sehen. Für Perth, Cindy und mich war es eine Offenbarung, als wir unseren Blick über die vielfältige Schönheit Hunderter von Hektaren schweifen ließen und das 180-Grad-Panorama genossen. Die ganze Erde schien vor uns zu liegen, ein Geschenk Gottes. Es war, als wären wir aus dem Himmel heruntergefallen. Es war ein Ort der Ruhe und Erholung. Der Garten war unsere Terrasse, die Bühne, von der aus wir auf die Welt blickten. Es gab kein Zurück mehr.
Mein erster Gedanke war: »Perth kann durch das Loch in der Hecke hinausschlüpfen und ohne Unterbrechung dahinlaufen , es gibt keine Straßen, Autos, Häuser oder Menschen .« Es war wie ein riesiger gestalteter Garten, ein endloser Spielplatz aus Grün, Nebel und schimmerndem Wasser. Sie konnte in völliger Sicherheit kommen und gehen. Gerade als ich das dachte, drückte
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