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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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nicht erschrecken wollte? Das glaubte Siggi nicht. Nein, er wurde nicht schlau aus dem Mann, dem sie gewiss auf der einen Seite einiges zu verdanken hatten, der ihnen aber andererseits längst nicht alles gesagt hatte, was er wusste.
    Gleichfalls begann Siggi darüber nachzudenken, wie viel Macht dem Alten wirklich zur Verfügung stand. Konnte er zaubern – richtig zaubern, nicht wie ein Zauberer im Fernsehen oder Zirkus, der mit Tricks und Fingerfertigkeit arbeitete, sondern richtig?
    Ihre Rettung vor den unheimlichen Verfolgern – den Schwarzalben, wie der Alte sie genannt hatte – erschien ihm zwar wie Magie.
    Aber wenn welche im Spiel gewesen war, wie viel davon stammte von dem Alten, oder hatte er nur die Natur der Anderswelt und des Tors genutzt, das sie mit ihrem Tanz um den Brunnen aufgestoßen hatten?
    Wieder fand Siggi keine Antwort. Er wusste einfach nicht genug von der ganzen Geschichte; ja, er hatte nicht einmal eine Ahnung, wer ihr geheimnisvoller Retter überhaupt war.
    Hat er seinen Namen genannt?, fragte sich Siggi in Gedanken. Die Antwort gab er sich ebenfalls. Nein! Er hatte, wie Siggi sich entsann, nur weise Sprüche von sich gegeben. Irgendetwas stimmte da nicht, und Hagens Wunsch, gleichfalls nicht mit allen Informationen her-auszurücken, wurde immer verständlicher.
    Siggi glaubte fast, es wäre besser gewesen, noch mehr zu verheim-lichen, aber dazu war es jetzt zu spät. Jetzt mussten sie das Beste aus der Lage machen, in der sich befanden.
    Am Morgen, mit dem Licht des neuen Tages, würde der Bann von ihnen genommen, und sie konnten in ihre Welt zurückkehren, aber bis dahin waren sie Gefangene der Anderswelt. Das zumindest glaubte er ihrem Führer, der schweigend vor ihnen her stapfte und inzwischen an fast jeder Gabelung und Kreuzung verharrte. Aber er brauchte ja nicht zu lügen, er brauchte nur nicht alles zu erzählen, was er wusste. Wie sagten Gunhild und er doch immer, wenn sie ein kleines Geheimnis vor ihrem Vater verbergen wollten: Er braucht es ja nicht unbedingt zu erfahren …
    Und eben dieses Gefühl hatte Siggi bei dem Alten. Für ihn war es noch viel leichter, Dinge zu verbergen, ihnen vieles vorzuenthalten.
    Sie kannten sich in dieser Welt nicht aus. Siggi beschloss, sich bei nächster Gelegenheit mit Gunhild und Hagen zu besprechen; ja, auch mit Hagen, denn sie saßen zu dritt in der Klemme und mussten da gemeinsam auch wieder raus …
    Vor ihnen öffnete sich der Raum. Für einen Moment stockte jedem der Kinder der Atem. Sie waren schon in großen Kammern und Sälen gewesen, aber der hier stellte alles bisher da Gewesene in den Schatten. Er war bestimmt an die hundert Meter lang, schät-zungsweise sechzig Meter breit, und wie hoch dieser Höhlendom war, konnte Siggi nicht ermessen. In dem diffusen, fahlen Licht war die Decke überhaupt nicht zu erkennen.
    »Ja«, sagte ihr Führer. »Es ist ein Anblick, der auch mir immer wieder Bewunderung abnötigt.«
    Überall glitzerte es, als würde Sternenstaub an den Wänden haften. Doch es waren Kristalle, die links und rechts von ihnen aus dem Boden wuchsen, und das schwache, kalte Licht brach sich darin in schillernden Reflexen, grün und blau und gelb, die weit in die Dämmerung streuten. Gebilde wie Eiszapfen zogen sich wie Git-ter an den Wänden entlang; irgendwo tropfte Wasser, fiel mit einem klaren, glockenähnlichen Klang in ein unsichtbares Becken.

    Hier gab es wirklich Wunder zu schauen.
    Siggi erkannte, dass ihr Führer sich erst wieder über den Weg klar werden musste, daher nutzte er ihr Staunen, um von seinen Proble-men abzulenken.
    Schon beim ersten Zählen hatte Siggi mindestens acht Gänge bemerkt, die aus dem Dom führten; als er genauer hinsah, konnte er über ein Dutzend ausfindig machen. Jetzt war der Graue gefordert.
    Wählte er den falschen Gang, mochte er sie direkt zu den Schwarzalben führen, und das wollte gewiss keiner von ihnen.
    Doch die Entscheidung wurde ihnen abgenommen. Rechts von ihnen tauchten sieben oder acht untersetzte Gestalten aus dem diffusen Halblicht auf. Lautlos, unheimlich und gefährlich, genau wie im Wald.
    »Da!«, rief Siggi aus, und die kalten Finger der Furcht griffen wieder nach ihm. »Schwarzalben!«
    Der Kopf ihres Führers ruckte herum, als würde er aus einem Traum erwachen. Er murmelte etwas, das Siggi nicht verstand, aber dem Klang nach war es ein Fluch, den er zwischen den Lippen zer-drückte.
    Hagen und Gunhild erstarrten, ebenso wie Siggi, dem es für einen Moment

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