Pesch, Helmut W.
dorthin, von wo er gekommen war. Doch er hatte ganz anderes im Sinn.
»Siggi und Gunhild sind bestimmt diesen Kerlen direkt in die Ar-me gerannt«, brummelte er halblaut vor sich hin. »Ich muss rausfinden, wo die Schwarzalben hausen, dann hole ich mir den Ring und lasse die beiden schmoren. Das haben sie verdient, weil sie mir Freundschaft vorgetäuscht und mir meinen Ring weggenommen haben.«
Hätte er sich umgesehen, wäre ihm der Schatten aufgefallen, der sich unauffällig näherte, sich geräuschlos anschlich. Noch zehn Meter, noch neun, noch acht…
»Es ist mein Ring. Ich habe ihn gefunden!« Hagen war in seinem Zorn nicht aufzuhalten. Längst war er in Schritttempo verfallen, glaubte er doch die Verfolger abgehängt zu haben, doch das Unheil kam immer näher.
»Niemand legt mich ungestraft rein. Ich …«
Diesen Satz sprach er nicht mehr zu Ende. Zwei schwielige Hän-de packten ihn. Bevor es sich versah, war er gefesselt, geknebelt –
und gedemütigt. Er hatte geglaubt, den Dunklen ein Schnippchen geschlagen zu haben und war geradewegs in ihre Falle getappt. Er würde Siggi und Gunhild wiedersehen – im Verlies der Schwarzalben …
Gunhild hatte sich hinter dem Grauen gehalten, der zielstrebig auf einen Gang zuhielt. Sie folgte ihm. Eine dunkle Gestalt sprang aus den Schatten auf sie zu, aber der Alte schlug dem Alben seinen Stab an den Kopf, dass der Angreifer zu Boden ging.
Die Nachtwesen näherten sich lautlos. Keiner gab irgendwelche Befehle. Schweigend zu kämpfen und zu jagen schien ihre Art zu sein.
Der Alte und Gunhild erreichten die Gangöffnung. Der Graue schob das Mädchen hinein, und wirbelte herum. Keinen Moment zu früh. Mit seinem Stab, der ihm den Vorteil der größeren Reich-weite gab, wehrte er einen weiteren Gegner ab.
»Siggi und Hagen sind noch da draußen!«, rief Gunhild. »Wir müssen ihnen helfen!«
»Wie denn, Kind? Siggi ist irgendwo am anderen Ende, und Hagen ist in einem Gang verschwunden.«
»Aber …«, wollte Gunhild einwenden, sie wurde aber rüde unterbrochen.
»Ich habe genug damit zu tun, uns zu helfen. Die beiden müssen sehen, wie sie zurechtkommen«, sagte der Alte und hielt mit seinem schweren Stab, den er scheinbar mühelos schwang, zwei Swart-alfar in Schach. Doch Gunhild, die links hinter ihm an der Wand lehnte, konnte sehen, dass ihm der Schweiß im Gesicht stand.
Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Dunklen die Oberhand bekamen. Und dann waren da noch Siggi und Hagen. Gunhild hoffte inständig, dass wenigstens sie es schaffen würden zu entkommen.
Durch seinen Haken hatte Siggi einen Vorsprung gewonnen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Hagen in einen Gang abtauchte und der Graue und Gunhild auf einen anderen zuhielten und wie der Alte mit seinem Stab einen Schwarzalben niederstreckte.
Dann hatte Siggi keine Zeit mehr, um sich um die anderen zu kümmern; denn der Swart-alf hatte sich wieder aufgerafft und häng-te sich an seine Fersen, wie Siggi durch einen hastigen Blick über die Schulter mitbekam.
Renn, renn um dein Leben!, war sein einziger Gedanke. Er wich einem weiteren Schattenwesen aus. Seine langen Beine waren von Vorteil; im Weglaufen war er immer besser gewesen als im Kämpfen. Er musste es schaffen, zu Gunhild und dem Alten oder zu Hagen aufzuschließen, damit ihre Gruppe nicht auseinander brach.
Wenn es ihm nicht gelang, waren sie eine leichte Beute.
Siggi hielt kurz inne, um sich zu orientieren. Er konnte sehen, wo der Graue war, weil sein Stab wie eine Schlange vorzuckte und einen der Gegner von den Beinen fegte. In welchen Gang Hagen verschwunden war, konnte Siggi nicht mehr sagen.
Also war ihm die Entscheidung abgenommen. Er musste zu Gunhild und dem Alten.
Die Schwarzalben kamen zu zweit langsam näher. Er würde ihnen ausweichen müssen. Das war jetzt wie Weglaufen beim Fangen auf dem Schulhof, und das beherrschte er sehr gut.
Seine Rechte fuhr in die Hosentasche, um sein Taschentuch herauszuholen, damit er sich den Schweiß abwischen konnte, der ihm in die Augen lief. Dabei fuhr sein Daumen in den Ring. Er zog die Hand aus der Tasche und sah das Missgeschick. Der Ring steckte fest.
Siggi schloss die Hand zur Faust, so konnte er den Ring nicht verlieren. Hektisch wischte er sich mit dem Handrücken den Schweiß ab und wartete auf seine Gegner.
Die Schwarzalben blieben stehen, schauten irritiert in Siggis Richtung und schienen etwas zu suchen. Siggi begriff nicht, was das sollte, bis ihm ein Gedanke kam, der so
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