Pesch, Helmut W.
schwarze Qualm, der sie zum Husten reizte, in die Augen drang. Tränen quollen als Antwort hervor. Auch auf der Zunge machte sich ein widerlicher Geschmack breit, der einen zum Würgen brachte.
Sie kamen nur noch langsam voran. Zugleich rutschte Ymirs To-desquell näher und näher. Der Krach nahm infernalische Ausmaße an. Der zähe Qualm hüllte sie ein wie ein schwarzes Leichentuch.
Laurion gelang es irgendwie, sie halb blind durch den Gang zu führen, ohne dabei in eine Falle zu tappen. Aber wie lange konnte das noch gut gehen? Und war es nicht vielleicht besser, sich von einer Felsnadel schnell töten zu lassen, als in dem namenlosen, schmatzenden, fauchenden und ihnen unerbittlichen folgenden Schrecken zu versinken?
Niemals!, rief es in Siggi. Noch bin ich am Leben.
Sie waren nicht so weit gekommen, um hier und jetzt aufzugeben und sich in ihr Schicksal zu fügen. Also blieben sie auf den Füßen, husteten, schnauften, wischten sich die Tränen aus den Augen, und Laurions anscheinend unfehlbarer Instinkt führte sie um jedweden todbringenden Fallstrick, den die Swart-alfar in den Gängen versteckt haben mochten.
Und immer weiter ging die Hatz. Keiner von ihnen warf mehr einen Blick zurück, um zu sehen, wie nahe ihnen ihr Jäger schon gekommen war. Manchmal glaubte Siggi, die hervorzuckenden Flammenzungen mussten sie bald treffen, aber noch war es nicht so weit, und so quälten sie sich weiter vorwärts. Siggis Kehle brannte, der schwarze Qualm folterte seine Lungen. Immer öfter musste er husten, feurige Kreise wirbelten vor seinen Augen. Er konnte seine Gefährten kaum mehr erkennen, doch er lief weiter.
Gunhild war wie betäubt von den Dämpfen, die allgegenwärtig zu sein schienen. Sie taumelte, doch eine starke Hand riss sie wieder hoch.
»Weiter!«, keuchte Yngwe. Die anderen beiden waren schon ein Stück voraus. Und die brodelnde Masse ihres Verfolgers schob sich unerbittlich näher.
Dann konnte Gunhild durch Tränenschleier und Qualm erkennen, dass der Gang zu Ende war. Laurion und Siggi waren in einer Art Grotte angekommen, und der junge Lios-alf versuchte verzweifelt zu erkennen, wohin er sich wenden sollte. Hinter ihnen klang, gefährlich nah, das drohende Schmatzen auf. Drudgelmir würde sie unweigerlich einholen.
Gunhild taumelte in die Grotte. Für einen Augenblick wurde die Luft besser, und gierig sog sie die von den Dämpfen freie Luft ein, als der Qualm nach oben gesogen wurde.
Doch in der Grotte gab es keinen Ausgang. Sie saßen in der Falle.
»Hierher!«, rief eine Stimme, die Gunhild bekannt vorkam. Sie wischte sich die Tränen ab – und glaubte zu träumen. Von der Decke hingen vier Seile herab, und Widar winkte ihnen durch ein na-türliches Loch in der Decke zu.
Siggi und Laurion rannten sofort los, ohne Rücksicht auf mögliche Gefahren, einfach auf ihr Glück vertrauend.
Gunhild wollte ihnen folgen, aber ihr versagten die Kräfte. Sie stolperte und fiel.
»Steh auf! Weiter!« Das war Yngwes Stimme. Die anderen hatten gar nichts von ihrem Sturz bemerkt.
Gunhild versuchte, sich zu erheben, doch die Beine knickten ihr ein.
Die brodelnde Substanz schwappte heran. Feuerlanzen stachen nach ihren Füßen. Sie wollte aufschreien, doch sie brachte nur ein Krächzen hervor.
Dann packten sie zwei starke Arme und hoben sie auf.
»Wir schaffen es, Herrin!«, keuchte Yngwe, selbst am Ende seiner Kräfte.
Einen flüchtigen Augenblick fragte sich Gunhild, wen er in ihr sah: das Menschenkind oder Freya, die Göttin. Dann drückte ihr jemand ein Seil in die Hand.
»Festhalten!« Sie griff danach, aber es entglitt ihren Fingern.
Dann war die schwarze, schwappende Masse heran.
Yngwe schrie. Feuer griff nach seinen Beinen, setzte seine Kleider in Brand. Säure fraß sich in sein Fleisch, löste es auf. Brodelnder Schlamm ließ ihn schwanken. Mit einem letzten, verzweifelten Kraftakt stemmte er seine Last in die Höhe.
»Gunniiii«, kam Siggis Schrei von oben.
Krampfhaft griff sie zu, bekam das Seil zu packen und klammerte sich daran, ohne überhaupt etwas zu denken, nur vom reinen Über-lebensinstinkt getrieben. Dann wurde sie in die Höhe gezogen, während unter ihr Drudgelmir heranschwappte und die ganze Grotte mit seiner brodelnden, stinkenden feurigen Flut erfüllte.
Keuchend lag sie auf dem kalten Felsboden. Ihre Lunge brannte wie Feuer, und sie glaubte, sich übergeben zu müssen, doch würgte sie nur gelben Schleim hervor.
»Hier, trink!«, sagte eine Stimme. Jemand setzte
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