Pesch, Helmut W.
und der finsteren Brut eins auszuwischen.
Einen Augenblick standen sie einander schweigend gegenüber, der Junge mit dem Hammer und seine gewappneten Gegner –
Swart-alfar, untersetzt, muskulös, in Kettenhemden und bereit zum Kampf. Siggi war größer als die Krieger, nur der Anführer mit der Axt überragte ihn an Wuchs. Zum ersten Mal, seit sie ihn, Hagen und Gunhild durch den Wald gehetzt hatten, bot sich ihm die Gelegenheit, die Gesichter der Swart-alfar zu sehen. So furchterregend sahen sie eigentlich gar nicht aus; vielleicht hatten sie im Wald nur deshalb so schrecklich gewirkt, weil sie lautlos erschienen und ihre Mienen nicht zu erkennen gewesen waren. Unbezwingbar waren sie jedenfalls nicht. Auch sie konnten mit einem kräftigen Hieb gefällt werden.
Sie wirkten auch nicht so bösartig, wie Laurion sie geschildert hatte. Entschlossen, ja, und ernst, aber nicht blutrünstig und wild.
Auch stürzten sie sich nicht augenblicklich auf ihn, um ihn zu töten. Der ewige Hass der Lichtalben auf die Schwarzalben hatte dazu beigetragen, erkannte Siggi, dass für Laurion die Swart-alfar nichts anderes als Bestien wurden, eben die finstere Brut, die nur aufs Morden aus war.
»Willkommen in Muspelheim«, wurde Siggi begrüßt. »Du willst deinen Gefährten retten?«, fragte ihn der große bärtige Anführer, und Siggi musste sich schwer beherrschen, um den rabenschwarzen Augen standhalten zu können.
»Ja!«, erwiderte Siggi fest, und es klang beinahe wie ein Schwur.
Er würde Hagen nicht im Stich lassen. Bei allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, er betrachtete ihn als seinen Freund, und einen Freund würde er nie verraten.
»Gut«, die tiefe Stimme des Swart-alf klang zufrieden. »Dann hast du zwei Möglichkeiten.«
Siggi glaubte nicht richtig zu hören. Man ließ ihm die Wahl. Die Wahl zwischen was? Viele Dinge waren ihm in den letzten Sekunden durch den Kopf gegangen; die meisten hatten mit Kampf und Tod zu tun, aber vielleicht kam er ohne Kampf aus. Er würde den Bärtigen anhören; was mochte es schaden? Kämpfen konnte er immer noch.
»Lass hören.« Die glühende Lava war wieder ein Stück weiter gekrochen. »Ich habe nicht viel Zeit.« Seine Stimme klang fest und entschlossen, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan, als einem halben Dutzend mittelalterlicher Krieger ins Auge zu blicken.
Vielleicht stumpfte er langsam gegen Gefahr ab? Vielleicht war es wirklich die Kraft des Hammers oder des Ringes? Oder vielleicht hatte er in sich selbst einen Quell der Kraft gefunden, von dem er selber nichts ahnte … Wie dem auch sei, er hatte keine Zeit für lange Überlegungen. »Lass hören!«
»Entweder wir kämpfen«, sagte der bärtige, hochrangige Swart-alf.
»Dann wirst du sterben und nach dir der andere Midgard-Knabe.«
»Nein!«, stöhnte Hagen hinter Siggi, aber er widerstand dem Wunsch, sich nach dem Gefesselten umzudrehen, der hilflos der Hitze ausgeliefert war.
»Oder?«, fragte Siggi, und der Ton seiner Stimme ließ keinen Zweifel, dass er kämpfen würde, falls ihm die Alternative nicht gefiel.
»Oder du kannst mir helfen, ein Werk zu vollbringen. Eine kleine Aufgabe für einen Recken wie dich. Nenne es eine Geste, die mich vergessen lässt, dass dieser Knabe«, bei diesen Worten deutete der Swart-alf auf Hagen, »mich auf den Tod beleidigt hat. Nur seine Jugend hat ihn davor bewahrt, in meiner Halle unter den Hieben meiner Axt zu verbluten. Allerdings«, und der Swart-alf lächelte, »ist der heiße Zorn nun verraucht, und ich bin bereit, ihm zu verzei-hen. Ich will es auf das Ungestüm der Jugend schieben und diesen Neiding die Möglichkeit geben, zu gehen und nie wiederzukehren.«
Siggi war klar, wenn er vor sich hatte: Alberich, den König der Swart-alfar, der Herrscher der dunklen Brut. Siggi zweifelte nicht einen Moment daran, dass dies Alberich aus den Sagen war und nicht irgendein Herrscher gleichen Namens. Nein, es musste jenes Wesen sein, von dem Odin, der Einäugige, ihnen erzählt hatte. Ein Geschöpf aus der Zeit der Legende, uralt und klug, sehr klug. Und wenn die Legenden wahr waren, dann war er, wie Siggi siedend heiß zu Bewusstsein kam, auch der Schöpfer des Ringes, der in seinem Beutel verborgen war.
»Was geschieht, wenn ich dir helfe, Nibelung?«, stellte er ihn auf die Probe.
»Du kannst deinen Freund befreien, und es steht euch frei zu gehen«, antwortete der Swart-alf. Seine tiefe Stimme klang väterlich; doch so hatte auch die Stimme des Grauen
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