Pesch, Helmut W.
sein Tempo entwickelt, und so bemerkte er recht bald, dass die Bahn längst nicht mehr so steil war, sondern der Winkel abflachte, und er so langsam, aber sicher abgebremst wurde.
Einer Eingebung folgend löste Siggi den Hammer vom Gurt und nahm ihn fest in die Rechte. Den Ring wollte er noch nicht über-streifen; den würde er erst dann einsetzen, wenn es sich nicht mehr umgehen ließ.
Wilde Entschlossenheit erfüllte ihn. Wer wusste schon, wie Gunhild und Laurion da unten ankommen würden. Vielleicht war er der Einzige von ihnen, der kampfbereit war …
So hatte er sich noch nie gefühlt. Ihm war, als würde der Hammer in seiner Hand ein Eigenleben führen. Und dann war da noch etwas: Siggi glaubte zu fühlen, dass es an der Stelle, wo der Beutel mit dem Ring seinen Körper berührte, kribbelte. Es war kein unan-genehmes Kribbeln. Es war, als fließe Kraft auf ihn über, und sie schien den Weg zu seinem Herzen und zu seinem rechten Arm zu gehen.
Sei bereit…
Seine Fahrt war jetzt deutlich langsamer geworden, und war da nicht ein schwacher Lichtschein, der weit vor ihm zu sehen war?
Flackernd, warm leuchtend, wie der Widerschein von Feuer.
Siggi fühlte den heißen Luftstrom, der jetzt mehr war als nur Fahrtwind. Es war, als würde heiße Luft in einen Schornstein gestoßen. Ein widerlicher Geruch stieg ihm in die Nase, wie nach faulen Eiern.
Schwefel!
Manchmal war es doch nicht so übel, am Chemieunterricht teil-zunehmen und nicht zu schwänzen. Ja, es roch eindeutig nach Schwefel.
Was erwartete ihn da unten?
Statt eine Antwort zu suchen und sich durch stetiges Grübeln selbst zu verunsichern, packte Siggi den Hammer fester, und harrte der Dinge, die da kamen.
Er war mittlerweile so langsam geworden, und der flackernde Widerschein von unten war hell genug, dass er sich seine Umgebung ansehen konnte. Der Fels war glänzend schwarz und wirkte wie poliert. Das Licht spiegelte sich auf dem Stein mit dem gleichen Effekt wie bei dem Panzer einer großen Fliege: Mal schimmerte es blau, dann wieder metallisch grün.
Der Feuerschein wurde immer deutlicher, und Siggi konnte erkennen, dass dort eine lange Rechtskurve den Endpunkt seiner Reise vor seinen Blicken verbarg.
Inzwischen war Siggi kaum schneller als auf einer Spielplatzrut-sche, und er saß wieder aufrecht, konnte es kaum noch abwarten, zu sehen, wer dort unten auf ihn lauerte. Er reckte sich, um etwas zu erkennen, aber noch hatte er den Scheitelpunkt der Kurve nicht erreicht, und so glitt er die letzten Meter ungeduldig dahin, bereit, sich in dem Kampf zu stürzen.
Es kam völlig anders, als er sich ausgemalt hatte.
Vor ihm öffnete sich ein riesiger Dom, ein gewaltiger Raum, dessen Decke sich in rot erfüllter Düsternis verlor. Dunstwolken trieben hindurch, erleuchtet von einem steten Flackern und Glosen, das von unten kam. Hitze strahlte von dort empor. Die Höhle musste sich tief auf den Grund der Anderswelt befinden, weit tiefer als alle Kammern und Räume, in die sich je ein Mensch vorgewagt hatte. Denn bis auf wenige Meter am Rand wurde sie durch einen gewaltigen Lavasee beherrscht, welcher den Feuerschein erzeugte.
Um ein Haar hätte Siggi es verpasst, rechtzeitig abzubremsen, sodass er fast über den rauen Fels gerutscht wäre. Es gelang ihm gerade noch, zum Stillstand zu kommen, ehe der Lavasee begann.
Dann stand er unter der gewaltigen Kuppel an den Ufern eines glühenden Meeres.
»Siggi«, klang eine erleichterte Stimme an sein Ohr.
Siggi fuhr der Schreck in die Knochen, aber er lief nicht weg, wie er noch vor wenigen Stunden getan hätte, sondern warf sich herum, den Hammer zum Schlag erhoben. Was er zu sehen bekam, ließ ihm den Atem stocken.
Es war nicht Gunhild, auch nicht Laurion.
Es war Hagen.
Er war mit schweren, mattschwarzen Ketten an einen Felsen gekettet. Über ihm trat Lava aus einem Loch im Fels. Normalerweise würde die Lava in den See tropfen, aber die Swart-alfar hatten den aus der Wand tretenden Lavastrom umgeleitet.
Auf einer Rinne aus schwarzem Metall, welches genauso aussah wie das Eisen, aus dem Hagens Ketten gefertigt waren, lief der Strom der Lava träge, aber zielsicher auf Hagen zu.
Die Rinne wurde in einer gewaltigen Spirale nach unten geführt.
Weiter oben glühte das Metall bereits weiß und rot, unten war es noch kühl und schwarz. Das kochende Gestein würde Hagen genau auf die Brust laufen und ihn auf qualvolle Weise töten …
8
Der Hammer der Welt
Entgeistert starrte Siggi auf den Freund,
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