Pesch, Helmut W.
dumm wie ein Stein, wenn du die Zeichen nicht siehst.«
»Wovon redest du?«
»Der Wolf hat ihn verschlungen. Thor fiel der Schlange zum Opfer. Und Loki hat seine Fesseln gesprengt, und jetzt rast das Feuer durch die Gänge. Es ist aus, verdammt noch mal. Kapierst du denn nicht?«
»Nein …« Alberich erblasste. »Das kann nicht sein …«
Sein Griff lockerte sich. Die Hand mit dem Dolch senkte sich ein wenig.
Gunhild nutzte diesen Moment der Schwäche. Sie biss Alberich ins Handgelenk. Ein Schmerzensschrei, und Gunhild riss sich aus seiner Umklammerung los und rannte zu Siggi hinüber.
Einer der Krieger um Alberich wollte ihr folgen, aber er hatte Siggi aus den Augen gelassen. Siggi schwang den Hammer mit einer Kraft, die er sich selbst nie zugetraut hätte. Er traf den Swart-alf in den Bauch. Pfeifend entwich dem Krieger die Luft, und er brach zusammen.
Alberich riss seine Axt vom Gürtel. Auch diese zeigte Spuren des Kampfes. Tiefe Scharten kerbten das geschwungene Blatt, an dem halb geronnenes Blut klebte.
»Du bist an allem schuld«, rief er dem bewusstlosen Hagen zu.
»Du hast versagt! Stirb!«
Alberich hob seine mächtige Axt und setzte zum tödlichen Schlag an. Er würde Hagens Schädel spalten wie eine überreife Ko-kosnuss. Siggi würde nicht mehr rechtzeitig dazwischentreten können. Hagen war bewusstlos und konnte sich nicht selbst helfen.
»Mjölnir!«, rief Siggi aus. Der Schrei hallte durch die Gänge. Dann schleuderte er den Hammer, in der verzweifelten Hoffnung, Alberich zumindest ablenken zu können.
Obwohl der Wurf ungezielt war, schoss der Hammer direkt auf die Axt des Königs zu. Alberich wollte sie gerade mit Wucht nach unten führen, da traf der Hammer das Blatt und zerschmetterte es in tausend Stücke, die wie wütende Hornissen durch den Gang sirr-ten. Nur wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Alberich wurde der Stiel aus der Hand geprellt. Bestürzung malte sich auf dem Gesicht des Herrn der Schwarzalben. Er begriff nicht, was vorging.
Der Hammer hatte sich in der Luft gedreht und flog in die immer noch ausgestreckte Hand Siggis zurück.
»Bei den Feuern der Hei!«, entfuhr es Alberich. »Verflucht sollst du sein!«
Er entriss einem seiner Krieger die Klinge, stieß ihn brutal zur Seite und drang auf Siggi ein, der immer noch verdutzt auf den Hammer starrte. Gerade noch rechtzeitig warf der Junge sich zur Seite, um dem Schwerthieb zu entgehen.
Da, wo Siggi eben noch gestanden hatte, schlug das Schwert Funken sprühend auf den nackten Fels. Alberich knurrte wütend. Ein unartikulierter Schrei des Zorns, der wie das Fauchen eines zornigen Bären klang, kam aus seiner Kehle. Wahnsinn griff nach dem König der Swart-alfar.
Siggi rollte sich ab, und kam wieder auf die Füße. Alberich griff an, aber Siggi wich dem Hieb aus, unterlief das Schwert, doch sein Schlag verfehlte den Gegner um Haaresbreite, weil der Albe gedankenschnell zur Seite ausgewichen war.
Die beiden Kämpfer standen sich nun lauernd gegenüber.
Die Krieger der Swart-alfar und Gunhild sahen dem Zweikampf hilflos zu, während Hagen immer noch am Boden lag.
»Komm schon!«, forderte Siggi. »Bringen wir es hinter uns!«
»Ich habe schon ganz andere Gegner als dich niedergerungen, Midgard-Knabe!«, gab Alberich zurück. »Du wirst sterben. Hier und jetzt!«
»Aber ich bin der Erbe Thors«, ließ Siggi den Schwarzalben wissen. »Und du bist ein Idiot.«
Alberich stürzte los. Im selben Augenblick schleuderte Siggi erneut den Hammer, und so lief der Nibelung genau in Siggis Wurf.
Der schwere Kopf Mjölnirs traf ihn mitten in die Stirn. Das hässliche Geräusch brechender Knochen war ein Laut, den weder Siggi noch Gunhild so schnell vergessen würde.
Der Kampfruf des Nibelungen erstickte in einem gurgelnden Schrei. Der Hammer kehrte wieder in die Hand Siggis zurück, der sie reflexartig um den Griff schloss und gleich darauf senkte.
Alberich stand wie vom Blitz getroffen. Seine Stirn war eine einzige Wunde. Die schwarzen Augen waren weit aufgerissen, aber begannen sich bereits zu verschleiern. Er wollte etwas sagen, aber außer einem schmerzerfüllten Röcheln brachte er nichts mehr hervor. Die Klinge entfiel seiner kraftlosen Hand, schlug klirrend auf den Fels. Der einstmals mächtige König der Swart-alfar, Herr des Nibelungenschatzes, Schöpfer des Ringes, der das Schicksal von Helden und selbst von Göttern bestimmt hatte, taumelte, stürzte mit dem Gesicht nach vorn zu Boden, und noch bevor sein
Weitere Kostenlose Bücher