Pestmond (German Edition)
den Schmerzen und der Todesangst ihrer Opfer zogen.
Aber so war es nicht. Die beiden waren Sterbliche.
Die mit der Kraft und Schnelligkeit Unsterblicher kämpften.
Andrej beschloss, dieses Rätsel später zu lösen und erst einmal dafür Sorge zu tragen, dass diese Rollenverteilung auch so blieb. Er blockte den nächsten Krallenhieb mit dem Unterarm ab, was ihm zwei weitere, heftig blutende Schnitte einbrachte, und schmetterte den Angreifer zu Boden, indem er ihm den Handrücken ins Gesicht schlug, so wuchtig, dass er erstaunt war, dass er noch mal aufstand. Seine beiden Gegner waren nicht nur schon beinahe übernatürlich schnell, sondern auch unglaublich zäh.
Zeit, herauszufinden, wie zäh, dachte Andrej grimmig.
Er nahm einen weiteren Hieb der Dornenkralle hin, dem er lediglich seine ärgste Wucht nahm, indem er im letzten Moment den Oberkörper zur Seite drehte, schickte den Krieger mit einem kraftvollen Schlag endgültig zu Boden und sah aus den Augenwinkeln, wie sich sein Kamerad schon wieder auf die Füße kämpfte. Er schwankte. Sein rechter Arm hing nutzlos herab, und aus dem zermalmten Handschuh tropfte Blut zwischen verbogenem Metall und weißen Knochensplittern hervor.
Andrej fuhr sich mit einer blutigen Hand durch das Gesicht und schenkte dem Mann ein böses Lächeln. Die beiden wollten Tote sehen? Das konnten sie haben.
Trotz seiner schweren Verletzungen dachte der Maskierte nicht daran aufzugeben. In seiner unversehrten Hand blitzte plötzlich ein schmaler, bösartig gekrümmter Dolch, den er mit ungebrochenem Geschick schwang.
Andrej trat ihm die Waffe aus der Hand, packte ihn bei den Schultern und wirbelte ihn herum, um ihm von hinten den Arm um den Hals zu legen und ihm das Genick zu brechen.
»Andrej!«
Etwas im Klang der Stimme hielt Andrej davon ab, die Bewegung ganz zu Ende zu führen. Er sah zur Seite und erschrak, als er Ali erblickte, der ebenfalls ein Messer gezogen hatte und Ayla auf ganz ähnliche Art an sich presste wie Andrej den verletzten Krieger, nur dass er ihr den Dolch an die Kehle drückte, der den schwarzen Stoff ihres Gewandes bereits durchschnitten hatte. Ein einzelner heller Blutstropfen lief an dem scharf geschliffenen Metall hinab.
»Lass ihn los, oder ich schneide ihr die Kehle durch!«, sagte Ali. »Und allen anderen hier auch.«
»Du willst deine eigene Schwester töten? Mach dich nicht lächerlich!«
Ali antwortete nicht, aber in seinen Augen war plötzlich ein Glanz, der Andrej gar nicht gefiel. »Du hast nicht die geringste Ahnung, auf was du dich hier eingelassen hast. Wenn es meinem Herren gefällt, werde ich jeden töten – auch Ayla.«
»Das …«
»Glaubst du nicht?« Ali machte eine kaum wahrnehmbare Bewegung mit seiner Waffe, und zu dem ersten Blutstropfen auf der Klinge gesellte sich ein zweiter. »Das könnte ein fataler Fehler sein. Ich tue, was getan werden muss.«
»Dazu kommst du nicht mehr«, sagte Andrej grimmig. Der Mann in seiner tödlichen Umarmung bäumte sich auf, erschlaffte dann plötzlich und begann zu zittern. Andrej begriff, dass er dabei war zu ersticken. Er lockerte seinen Würgegriff gerade weit genug, um ihm ein paar keuchende Atemzüge zu gestatten. »Wenn du ihr etwas antust, dann töte ich dich. Ganz langsam.«
»Ja, wahrscheinlich könntest du das«, antwortete Ali. Andrej suchte vergebens nach einer Spur von Furcht in seiner Stimme oder wenigstens seinem Blick. »Aber wenn dir wirklich etwas an meiner Schwester liegt, dann lässt du ihn los und gibst auf, oder ich töte sie. Jetzt.«
Andrejs Gedanken rasten. Auch wenn Ali nicht so übermenschlich schnell war wie seine Krieger – und dessen war er sich ganz und gar nicht sicher –, hatte er keine Chance, ihn zu erreichen und ihm die Waffe wegzunehmen, bevor er Ayla die Kehle durchschnitt. Und er würde es tun, das spürte Andrej, so verrückt und vollkommen sinnlos eine solche Tat auch wäre.
Widerstrebend lockerte er seinen Griff noch etwas mehr, versetzte dem Krieger einen Stoß in die Kniekehlen, sodass er vor ihm zu Boden sank, ließ ihn aber immer noch nicht los. »Was willst du?«
»Dich«, antwortete Ali. »Ich dachte, das hättest du schon bemerkt. Gib auf, und ich verspreche dir, dass du am Leben bleibst. Und dass niemandem hier etwas geschieht.«
Und auch das war ehrlich gemeint, da war Andrej sich sicher. Allerdings hatte er nicht gesagt, wie lange sein Versprechen galt.
»Wenn du lügst, töte ich dich«, sagte er.
Ali nickte. Andrej überlegte
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