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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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würde. Es war eines der Dinge, die sie an ihm gemocht hatte – er überprüfte und prüfte noch einmal nach und überließ niemals etwas dem Zufall. So wie sie es getan hatte. Er würde es überprüfen, und sie wusste, was er dann tun würde.
    Kate befahl dem Karrenlenker, sie zu Matthews armseliger Bruchbude zu fahren, auch wenn sie meilenweit entfernt war. Als sie das Kind sah, bei dem sich bereits die ersten roten Strähnen zeigten, fiel sie auf die Knie und weinte vor Freude. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass der Herr ihn von den Toten zurückgeholt hatte. Aus diesem Grund hatte sie ihm immer an jenem Tag im September, wie schwierig es auch gewesen sein mochte und wo immer er auch gesteckt habe, stets einen Osterkuchen gebracht, das Symbol der Auferstehung.
    Sie erklärte Matthew, dass sie verschwinden müssten, und zwar sofort, und dass sie sie auf ihrer Flucht begleiten würde. Sie wusste weder, wo sie hin sollten, noch wie sie fliehen sollten, bis sie den Pestkarren sah. Nur wenige Menschen würden sich einem Pestkarren nähern. Wenn sie weit genug vom Pfarrbezirk entfernt waren, könnten sie die roten Kreuze übermalen und sich dem immer stärker werdenden Strom von Menschen anschließen, die wie sie selbst auf der Flucht waren, sei es nun wegen eines Verbrechens, wegen Ernteverlusts, schrumpfenden Löhnen und steigenden Preisen oder wegen der Streichung oder Beschneidung der Waldrechte. Sie alle flohen in das Reich der neuen Möglichkeiten: nach London.

31. Kapitel
    Kate hatte vergessen, dass ich da war. Sie kauerte ganz vorn auf der Bank, die Hände verschränkt, und wiegte sich leicht hin und her. Ich könnte schwören, dass sie in Gedanken auf dem Pestkarren saß, der sie auf der zerfurchten Straße nach London in Sicherheit bringen sollte. Mit einem Ruck kam sie wieder zu sich, starrte mich an, als sei ich tatsächlich in diesem Moment von den Toten auferstanden, und fiel auf die Knie.
    »Vergib mir! Vergib mir!«
    Ich zog sie hoch. Hielt sie fest. Sagte ihr, sie solle keine Närrin sein. Es gäbe nichts zu vergeben. Genauso gut könnte ich vor ihr auf die Knie fallen. Ich tat es in aller Form, und sie zog mich lachend hoch. Dann weinte ich. Wir weinten zusammen, tiefe Schluchzer schüttelten uns, während einer den anderen festhielt. Die Soldaten, die schon zuvor an uns vorbeigekommen waren, blieben erneut stehen und musterten uns erstaunt. Sie hatten ein Schwein getötet, um es zu pökeln, ehe sie am nächsten Tag aufbrachen, und trugen prächtige Hinterbacken, von denen noch das Blut tropfte, auf ihren Schultern. Ich rief ihnen zu, sie sollten etwas Fleisch ungesalzen lassen für unser Fest heute Abend, und einer von ihnen gab scherzend zur Antwort: »Euer Hochzeitsfest?«
    »Eine Wiedervereinigung«, rief ich.
    Der Regen hatte aufgehört, doch nicht für lange, wie mir schien. Die Vögel schwiegen, und Eaton hatte mir beigebracht, auf sie zu achten, mit einer seiner seltsamen Eselsbrücken, die er stets zum Besten gab: Wenn die Vögel sich verpieseln, wird es wahrscheinlich bald nieseln.
    Soldaten putzten ihre Musketen, und Will strich umher, befahl das Packen der Wagen, die bereits bepackt waren, oder die Reparatur eines gebrochenen Rades, was meines Erachtens ohne seine Einmischung schneller erledigt gewesen wäre. Luke siegelte eine Depesche, dann einen Brief an Charity, die er beide einem wartenden Reiter übergab. Über allem lag eine Zielstrebigkeit, die seit Tagen gefehlt hatte. Ich spürte sie in mir selbst. Zielstrebigkeit, Aufregung sowie einen stetig anwachsenden Groll. Ich erklärte Kate, dass ich die ganze Zeit über versucht hatte, meinen Vater zu finden, doch dass es mich jetzt nicht länger interessierte. Wer brauchte schon Väter, wenn er solche Mütter wie Susannah und Kate hatte? Ich küsste sie noch einmal.
    Lachend entzog sie sich mir. »Ich bin nicht deine Mutter, Tom.«
    »Aber so gut wie.«
    »Du wirst also die ganze Sache vergessen und nach London zurückkehren?«
    Ich schwieg. Wir gingen in die große Halle, und ich starrte zum ersten Stock hinauf. Vor allem zwei Dinge hatte ich aus Kates Geschichte erfahren: das eine war ihre unerschütterliche Liebe, das andere der glühende Hass meiner leiblichen Mutter. Ich spürte, dass sie mir diesen Hass mitgegeben hatte. So, wie sie geglaubt hatte, Lord Stonehouse habe ihren Vater getötet, glaubte ich – nein, ich wusste es –, dass er und seine Söhne meine Mutter getötet hatten. Ich sah sie vor mir, alle drei, wie

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