Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
Vom Netzwerk:
Blick interessiert, während mein Pferd friedlich das Gras weidete. Sie packte Edwards Arm. »Unverschämtheit! Sagt dem Kutscher …«
    Ob Edward den Mann anweisen sollte, mir die Peitsche zu geben, habe ich nie erfahren, denn er packte ihren Arm und zerrte sie beinahe durch das überdachte Friedhofstor. Sie war so eine Behandlung offensichtlich nicht gewohnt und protestierte lauthals, bis ihr anscheinend dämmerte, wer ich war, denn als sie das Vestibül erreichten, sagte sie: »Das ist doch wohl nicht etwa der , oder?« und wirbelte herum, um mich erneut anzustarren. Mittlerweile scheuchte eine Gouvernante die Kinder aus der Kutsche. Zuerst einen Jungen, etwa zehn Jahre alt, der in seinem schwarzen Leibrock ganz trefflich aussah und vermutlich Lord Stonehouse als möglicher Erben präsentiert werden sollte. Doch Phillip – wieder nach Lukes Aussage – stammte aus der ersten Ehe von Edwards Frau. Ihr Mann war von derselben Seuche dahingerafft worden, die auch Edwards erste Frau und ihren gemeinsamen Sohn getötet hatte, in den Lord Stonehouse so vernarrt gewesen war. Die anderen Kinder, alles Mädchen, könnten meine Halbschwestern sein. Alle starrten mich an, wie es Kinder tun, ohne Befangenheit, und ich erwiderte ihre Blicke, bis Phillip von der gehetzten Gouvernante zu wissen verlangte: »Wer ist dieser Mann?«
    »Ein Mann auf einem Pferd«, erwiderte sie.
    »Das sehe ich«, sagte er mit vernichtender Verachtung. »Warum starrt er mich so an?«
    »Mama sagte, er sei unverschämt«, flüsterte das älteste Mädchen ihm zu und lächelte einfältig.
    »Hat sie das? Wirklich?« Er riss sich von der Gouvernante los und kam auf mein Pferd zu, das nervös zurückwich, bis ich es beruhigte und es nicht mehr von der Stelle wich. »He, du da! Fort mit dir! Ehe du dir eine tüchtige Tracht Prügel einfängst!«
    Mrs Stonehouse tauchte wieder auf der Vortreppe auf. »Phillip! Komm her! Du bist auf einer Beerdigung!«
    Phillip sah ebenso arrogant und jähzornig aus wie sein Stiefonkel Richard, aber mit einem letzten »Das ist eine private Beerdigung, Sir, und Fremde sind nicht willkommen!« schloss er sich widerwillig seinen Schwestern an, die in die Kirche marschierten. Bis jetzt hatte ich ein unerwartetes Vergnügen aus der Sache gezogen, aber nun begann ich mich zunehmend unbehaglich zu fühlen. Es gab keine Spur von Richard oder einer herannahenden Kutsche. Er könnte in der Kirche sein, aber es war unwahrscheinlich, dass er vor dem Gesinde hineingegangen war. Wills Geschichte, dass Richard losgezogen sei, um sich dem König anzuschließen, hatte ich nie geglaubt. Doch solange seine Soldaten dort waren, hatte ich es nicht in Frage gestellt. Wenn Richard und Mrs Morland einander so nahegestanden hatten wie sie sagte, hätte ich erwartet, dass er zu ihrer Beerdigung käme. Ich zögerte und schaute mir auf der Suche nach Inspiration das einzige kunstvolle Detail dieser ansonsten schlichten Kirche an: ein Eingang mit Schnitzereien, die Menschen zeigten, die von der Frucht des Baumes der Erkenntnis verführt wurden. Ob wohl meine Mutter durch diese Vorhalle geschritten war, um zu heiraten? Und wen hatte sie geheiratet?
    Ich entdeckte ein Wäldchen, in dem ich mein Pferd so gut es ging vor neugierigen Blicken verbarg. Bei meiner Rückkehr sah ich einen Mann von der Rückseite der Kirche in Richtung Dorf laufen. Edwards Stimme, die mich an Schilf im Wind erinnerte, wurde vom nackten Stein verstärkt und hallte um mich herum, als ich die Kirchentür aufstieß: »Wir bringen nichts mit auf diese Welt …« Er hielt inne, als das alte, verzogene Holz über die Steinfliesen knirschte. Ich stand von hinten beleuchtet im Türbogen und fühlte mich wie ein Schauspieler auf der Bühne, als alle Köpfe sich zu mir umwandten. Erneut musste ich das protestierende Ächzen der Tür ertragen, ehe sich die kalte, feuchte Dämmerung um mich schloss.
    Ruckartig bewegten sich die Köpfe wieder nach vorn, als Edward fortfuhr. Sein Blick folgte mir, als ich zögernd den Mittelgang entlangschlich und versuchte, einen Platz zu finden. »Und es ist gewiss, dass wir nichts mitnehmen können …«
    Es gab noch genug Platz in den Bankreihen, doch die Menschen rührten sich nicht, verharrten auf den Plätzen am Gang wie steinerne Statuen, blickten starr geradeaus oder hatten die Köpfe zum Gebet gesenkt und die Hände gefaltet. Ich stolperte über eine hervorstehende Steinplatte und wäre gestürzt, wenn ich nicht Mrs Adams fleischige Schulter

Weitere Kostenlose Bücher