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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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Ländereien hinter sich gelassen hatten – so lautete Henrys Anweisung –, atmete dieser freier und zeigte zumindest etwas Mitleid mit ihnen. Ehe er sie in dem kalten, feuchten Bauernhaus allein ließ, sammelte er Holz und schlug den Feuerstein, um ein Feuer zu entzünden. Kate hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Sie meinte, die Gegenwart des Bösen zu spüren. Mehrere Male wäre sie beinahe gegangen, doch jedes Mal, wenn sie die Tür öffnete, murmelte Margaret etwas oder schrie und streckte tastend eine Hand aus, um die ihre zu umklammern. Kate fand Wasser, das sie erhitzte, sowie ein paar schmutzige Lumpen. Der Kopf kam heraus, klebrig und runzlig, aber zu ihrer Überraschung sah er vollkommen normal aus. Eine Weile schien das, was aus Margaret herauswollte, was immer es sein mochte, festzustecken, ebenso erschöpft wie die Mutter. Während dieser Momente betete Kate. Von der Bettstatt, auf der Margaret lag, hörte sie ein klickendes, tastendes Geräusch. Margaret murmelte etwas, doch Kate schloss diese Worte aus, indem sie noch stärker darum betete, den Teufel zu bannen, der langsam aber sicher in diese Welt glitt.
    Der Wind bildete kleine Wirbel und ließ einen Eimer draußen klappern. Der Regen fand die Spalten im zerbröckelten Schornstein, spritzte hinein und zischte im Feuer. Als sei es Teil dieses Geräuschs, Teil der Gewalt da draußen, rutschte das Ding plötzlich in einer ungestümen Eruption heraus. Erleichtert glaubte Kate, die klebrige Masse sei tot. Sie wappnete sich und hob es auf. Es rutschte ihr aus den Fingern. Instinktiv hielt sie es fest. Das Ding erschauderte, lag warm und zitternd in ihren Händen, der Mund bebte und stieß zu ihrem Erstaunen einen schrillen, holperigen, doch zunehmend kräftiger werdenden und ganz gewiss sehr menschlichen Schrei aus. Er war normal und ohne Makel. Sie drückte den Jungen an sich, und er schien perfekt in ihre Arme zu passen, etwas, von dem sie bis jetzt nicht gewusst hatte, dass sie es vermisst hatte. All ihre Ängste und Vorstellungen waren wie fortgewischt. Für einen Moment.
    Margaret öffnete die Augen und streckte die Hände nach dem Kind aus. Kate empfand einen starken Widerwillen, das Kind loszulassen. Schließlich wollte sie es seiner Mutter reichen, doch schreckte dann im letzten Moment zurück. Die hypnotisierenden Augen einer Schlange schienen sie anzublicken, die gespaltene Zunge züngelte glänzend. Ein weiteres Hirngespinst! Doch die Wirklichkeit war noch schlimmer.
    In ihrer Hand hielt Margaret nämlich ein Schmuckstück, das Kate gut kannte. Sie wusste auch, dass Lord Stonehouse diesen Anhänger, der seiner Frau Frances gehört hatte, mehr schätzte als seinen gesamten anderen Besitz. Der Feuerschein ließ die Augen des Falken aufflackern, und er schien sie anklagend anzufunkeln. Panik erfüllte sie, als sie sich vorstellte, Lord Stonehouse’ Mann könnte kommen und den Anhänger entdecken. Sie legte das schreiende Kind ab und versuchte, Margaret den Anhänger abzunehmen. Sie sagte, sie sei verrückt gewesen, ihn zu stehlen.
    »Das steht mir zu!«, sagte Margaret. »Darum wurde ich betrogen! Ich wollte mit dem Vater des Kindes fortgehen.«
    »Seinem Vater?«
    »Einem seiner Väter. Heute Abend. Heute Nachmittag. Alles, was wir brauchten, war Geld.«
    Einer seiner Väter? Was phantasierte sie da? Margarets Miene spiegelte Gerissenheit und Wahnsinn, und die Worte kamen stoßweise aus ihrem Mund, so wie das Kind aus ihrem Leib gekommen war. Gleichwohl ergab ihre Rede einen furchtbaren Sinn. Sobald Eaton den Schuldschein für das Land gebracht hätte, wären sie aufgebrochen. Das Kind sollte später heimlich geboren werden und nicht so plötzlich, ausgelöst durch die Krise. Die Worte quollen aus ihr hervor, voll inbrünstiger, heftiger Rachegefühle. Sie klammerte sich mehr an den Anhänger, als dass sie das Kind festhielt, sagte, es sei ihr Zugriff auf den Kindsvater, denn das Geheimfach enthielte den Beweis, wer er war. Doch allmählich, erschöpft und ausgelaugt, wie sie war, lockerte sich ihr Griff um den Anhänger, und Kate glaubte, dass sie auch das Leben langsam losließ. Margaret murmelte, dass, wenn ihr irgendetwas zustieße, Kate für das Kind sorgen solle, wiederholte unablässig, dass der Hinweis auf den Vater sich in dem Porträtfach befände, und fiel schließlich in einen tiefen, aber unruhigen Schlaf.
    Kate nahm den Anhänger aus Margarets schlaffen Fingern. Der Wind riss ihr die Tür der Bauernkate aus der Hand, sobald

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