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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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erwartete.
    »Erkennst du das?«
    Ich nahm es und starrte es verwundert an. Es war ein plump hingekritzeltes lateinisches Zitat, das sich unablässig wiederholte: omnes deteriores sum licentia .
    »Das ist Terenz, nicht wahr?«, sagte ich. »Für einen früheren Sklaven, wie er einer war, ist es sonderbar zu schreiben: ›Zu viel Freiheit entwürdigt uns.‹ Aber es müsste sumus heißen, nicht sum …«
    Er schnappte sich das Blatt. »O ja, du weißt es natürlich!«
    Ich musste es wissen. Ich hatte dieselbe Zeile bis zum Umfallen aufgeschrieben, immer und immer wieder. Das sagte ich ihm auch.
    »Und natürlich perfekt«, sagte er. »Perfekte Handschrift, perfekt dekliniert …«
    Ich sagte ihm, dass ich wie jeder andere auch voller Fehler sei und dass ich mehr geschlagen worden sei als die meisten, doch er wollte nichts davon hören. Während Edward sein Erstaunen zum Ausdruck brachte, als er eine Textstelle auf Griechisch fand, die er einst geschrieben hatte, erklärte Richard mit einem Sarkasmus, der spröde war vor Zorn, dass ich perfekt war, eine perfekte Handschrift besaß, ein perfekter Schüler war und zu allem Überfluss auch noch ein perfekter Gentleman. Ich lachte über dieses idiotische Bild von mir, als ich an den wilden, ungehobelten Lehrjungen dachte, den man anfangs dazu zwingen musste, Stiefel zu tragen. Er versetzte mir eine brennende Ohrfeige.
    Dann begriff ich. Seit dem Moment, als ich herausgefunden hatte, dass es Richard war, der mich töten wollte, hatte ich stets gedacht, es läge daran, dass ich sein Erbe bedrohte. Natürlich war es das, aber es steckte noch mehr dahinter, viel mehr. Nachdem ich mich mit dem Pech verbrannt und Lord Stonehouse mich entdeckt hatte, hatte er bei seiner Rückkehr nach Highpoint Richard und Edward in diesen Raum zu sich bestellt. Ich sah die Szene förmlich vor mir, als Richard sie jetzt verbittert und wie unter Zwang schilderte.
    Lord Stonehouse hatte das aufgesetzt, was die Brüder sein Henker-Gesicht nannten. Er teilte ihnen mit, dass er ein Kind mit den Stonehouse’schen Zügen und feuerrotem Haar gesehen habe. Außerdem lebte dieses Kind bei diesem Halunken Matthew Neave, der in der bewussten Nacht im Jahr 1625 den Pestkarren gelenkt hatte. Lord Stonehouse ging noch einmal durch, was seine beiden Söhne ihm an jenem Septemberabend vor siebzehn Jahren erzählt hatten – dass Edward durch einen Trick dazu gebracht worden sei, zu heiraten, während das Kind der Sohn von Margaret Pearces Vetter John Lloyd sei. Richard unterstützte seinen Bruder erneut und sagte, es sei allgemein bekannt, dass Margaret Pearce ganz vernarrt in John Lloyd gewesen sei. Lord Stonehouse ließ sie auf die Bibel schwören, dass ihre Aussagen wahr seien, als stünden sie vor Gericht.
    Damit hielten sie die Sache für erledigt.
    Weit gefehlt. Es war, als sei das, was in der Pestgrube begraben worden war, herausgekrochen, um sich gleich einem Blutegel an Richard zu hängen. So beschrieb er es, obwohl er die veränderte Haltung seines Vaters anfangs nicht mit mir in Verbindung brachte. Ehe er die Werft in Poplar besucht hatte, hatte Lord Stonehouse sich damit abgefunden, dass Richard keine Ambitionen hatte, die über den Familienbesitz und sein eigenes Vergnügen hinausgingen, vor allem Letzteres. Nachdem er mich gefunden hatte, wurden seine alten Sehnsüchte neu entfacht, sein ältester Sohn möge eine wichtige Stellung bei Hofe einnehmen und die Geschicke des Landes mitbestimmen. Er wollte, dass er wieder Latein las und seine angestaubten Lektionen in Rhetorik wieder auffrischte, die er schon längst vergessen hatte. Er war siebenundzwanzig ! Sein Vater kürzte ihm das Taschengeld, bis er sich fügte. Er erklärte, der Name und das Vermögen der Stonehouse’ gründete nicht auf der contra guardia und ricavatione der Fechtkunst, sondern auf ethos, pathos und logos der Überzeugungskraft und Streitkunst.
    Glaube, Empfindung und Vernunft! Lass sie glauben, lass sie fühlen, lass sie denken. Wie oft war ich mit denselben drei Maximen traktiert worden. Ich war von Dr. Giles unterrichtet worden, doch die unsichtbare Hand hinter den Lektionen war Lord Stonehouse gewesen. Mir war genau dasselbe eingeprügelt worden wie Richard.
    Eines Tages legte Lord Stonehouse Richards lateinischen Text neben denselben Text in einer anderen Handschrift. Verglichen mit Richards unförmigen Buchstaben war der andere Text perfekt.
    »Das wurde von einem Schreiber angefertigt«, sagte Richard verächtlich.

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