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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ransley
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könnte ich ihn dadurch unsinnigerweise aufhalten.
    Ein im Flüsterton geführter Streit zwischen den Brüdern weckte leise Hoffnung in mir. Zumindest Edward schien die Ungeheuerlichkeit dessen zu erfassen, was sie planten. Er würde mich gerne tot sehen, aber er hatte Angst, entsetzliche Angst sogar, vor seinem Vater. »Was, wenn der König nicht gewinnt?«, hörte ich ihn fragen.
    Richard wies jede Möglichkeit, dass es dazu kommen könnte, zurück, aber ich merkte, dass er sich davor fürchtete, ebenso wie vor der Reaktion seines Vaters. Aus diesem Grund musste er sein Handeln durch einen Scheinprozess rechtfertigen. Meine einzige Chance bestand darin, mit dieser Angst zu spielen und zu versuchen, einen Keil zwischen die beiden Brüder zu treiben.
    »Warum sollte ich Mark Stevens töten?«, sagte ich.
    Verblüfft sahen sie mich an, als sei ich bereits eine Leiche, derer man sich entledigen musste, und kein lebender Mensch.
    »Weil er dir nicht die Informationen gegeben hat, die du von ihm haben wolltest«, sagte Richard.
    »Aber das hat er doch«, log ich. »Er hat mir gesagt, dass er in Shadwell Edward und meine Mutter getraut hat.«
    Die ganze Erregung, die Edward heute Morgen gezeigt hatte, war auf einen Schlag wieder da. Ehe Richard ihn aufhalten konnte, schrie er: »Die Ehe war ungültig!«
    »Warum hat Euer Vater dann die Aufzeichnungen darüber entfernen lassen?«
    »Weil ich meinem Vater an jenem Abend die Wahrheit erzählt habe!«
    »Halt den Mund, Edward«, sagte Richard, doch er war nicht imstande, seinen Bruder aufzuhalten. Die Augengläser waren verrutscht, das Gesicht verzerrt. Es war eines jener Gesichter, in denen sich die jugendlichen Züge bis ins mittlere Alter halten, und ich konnte ihn mir vorstellen, wie er an jenem Abend voller Entsetzen seinem Vater gegenübergestanden hatte.
    »Ich sagte ihm, dass du nicht mein Kind bist.«
    »Woher wusstet Ihr das?«
    »Woher er es wusste?«, sagte Richard verächtlich. »Weil er sie nie gevögelt hat! Behauptet er.«
    »Es ist wahr«, schrie Edward seinen Bruder an. »Ich wusste nicht, dass sie schwanger war, als ich sie geheiratet habe.«
    Richard war sich plötzlich der Anwesenheit des Hausdieners bewusst, dessen hervorstehende Augen noch weiter vorquollen als gewöhnlich und der so schnell schrieb, wie er konnte. »Streich das«, schnauzte er. »Gib mir das Buch. Verschwinde! Ihr alle, raus mit euch, bis auf dich!« Er deutete auf Gardiner. »Wartet! Keiner von euch hat das gehört, ist das klar?«
    Sie verbeugten sich und gingen. Edward hielt sein Gebetsbuch fest und wiederholte unablässig den lateinischen Vers eines Gebets. Zu meiner Überraschung ging Richard zu ihm und legte in einer Geste aufrichtiger Zuneigung seinen Arm um ihn. »Eddie, lass dich von ihm nicht einwickeln. Das will er doch nur, merkst du das nicht?«
    »Wer ist dann mein Vater?«, fragte ich.
    Richard deutete auf das Bild seines Vaters. »Man sollte meinen, er sei es, nach allem, was er für dich getan hat. Du hast natürlich keine Ahnung, nicht wahr, nicht den blassesten Schimmer, was du dieser Familie angetan hast.«
    Verwundert erwiderte ich seinen Blick. »Ich habe Euch nichts getan. Nichts.«
    »Seit du geboren wurdest – wiedergeboren …« Er fuhr seinen Bruder an, der immer noch das lateinische Gebet murmelte. »Um Himmels willen, Eddie, hör endlich damit auf. Wenn Gott dich bis jetzt nicht gehört hat, wird er es niemals tun.«
    Edward verstummte, doch seine Lippen bewegten sich lautlos weiter, während Richard zum Schreibtisch seines Vaters marschierte. Er zog vergeblich an einer Schublade und gab schließlich Gardiner einen Wink, der das Schloss mit seinem Dolch aufbrach. Richard holte ein Bündel Dokumente aus der Schublade, die mit rotem Wachs gesiegelt waren, und ein weiteres Bündel mit Briefen, die er auf den Tisch warf. Dann zog er einen Packen Kinderzeichnungen heraus, Seiten mit Redewendungen und lateinischen Versen, die sich endlos wiederholten. Seine Hände zitterten, als er versuchte, die zusammenklebenden Seiten zu trennen, bis er endlich fand, wonach er gesucht hatte.
    Der einzige Zeiger der Laternenuhr machte ein leises kratzendes Geräusch, als er mit einem Ruck vorwärtssprang. Richard warf einen Blick darauf. Ich hatte das Gefühl, die letzte halbe Stunde meines Lebens, die er mir zugestanden hatte, sei beinahe vorüber, und unter diesen Umständen war das vergilbte Stück Papier, das Richard mir vor die Augen hielt, das Letzte, was ich zu sehen

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