Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
hatte wieder ihren schroffen Klang angenommen.
»Du wirst diese Kleider nie wieder tragen. Ist das klar?«
»Ja, Mylord.«
»Ich werde entscheiden, welche Stellung du im Leben einnehmen wirst. Derweilen wirst du dich wie Mr Cole kleiden.«
Ich sagte nichts. Anscheinend hatte ich recht gehabt. Turville hatte Lord Stonehouse’ Pläne für mich völlig übertrieben dargestellt, teils, um mich von Mr Black und Anne zu entfernen, teils, um mich zum richtigen Zeitpunkt als Erben ins Spiel zu bringen – als Marionette, die er und Eaton manipulieren konnten.
Unvermittelt blaffte er los: »Hat Eaton dir von dem Anhänger erzählt?«
Es war zwecklos, es abzustreiten. »Ja, Mylord.«
Er stand auf und hob ein Siegel von seinem Schreibtisch auf. Ich zuckte zusammen, weil ich im ersten Moment glaubte, er würde damit nach mir werfen. Stattdessen klopfte er unablässig mit dem Siegel auf den Tisch, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Er erklärte mir, dass er, als Matthew und Susannah und – er räusperte sich – ihr Wunderbaby von seinem Land verschwanden, Eaton ausgeschickt habe, um sie ausfindig zu machen. Aber die Spur war erkaltet.
Lord Stonehouse ging zum Fenster und starrte hinaus auf die dunkle Straße. Acht Jahre später, fuhr er fort, nachdem er mich von der Werft geholt hatte, habe er Eaton erneut auf Matthews Fährte angesetzt. Er hätte ihn fast erwischt, als Matthew versuchte, den Anhänger zu verkaufen.
Lord Stonehouse nahm eine Kerze aus einem Wandleuchter und hielt sie zu einem Bild hoch, das hinter seinem Schreibtisch hing. Es handelte sich um ein Porträt seiner Frau Frances, das jünger war als das Gemälde in Turvilles Kanzlei. Später erfuhr ich, dass es kurz vor ihrem Tod entstanden war. In einer Hand hielt sie eine weiße Rose, das Symbol der Liebe. Die andere deutete auf den Falkenanhänger auf ihrem Busen.
»Ich glaube, dass der Anhänger das Geheimnis deiner Geburt in sich verbirgt. Ich werde nicht ruhen, ehe er gefunden ist. Du wirst ihn zusammen mit Eaton aufspüren, dann werde ich entscheiden, was ich mit dir mache. Verstanden?«
Er stellte die Kerze zurück und hob die Klingel, um mich zu entlassen.
»Ich werde den Anhänger finden, aber ich will nichts von Euch«, sagte ich. »Bis auf eine Sache.«
Im ersten Augenblick dachte ich, er würde mit der Klingel nach mir werfen. »Weiter.«
»Das Haus am Half Moon Court. Und meine Freiheit.«
»Um was zu tun? Die Tochter des alten Black zu heiraten?« Er setzte die Klingel wieder ab und lachte dröhnend. Ich glaubte, er hätte überhaupt keinen Humor, aber jetzt tränten ihm die Augen vor Lachen. »Vorsicht, wenn du nicht aufpasst, finde ich am Ende noch Gefallen an dir! Du bist mein … was auch immer. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist, und du wirst tun, was ich will. Die Tochter eines Druckers heiraten!«
Ich grub meine Fingernägel in die Handflächen, als ich spürte, wie ich die Beherrschung verlor. Ich zog seine Wut seinem Gelächter vor, mit dem er alles verhöhnte, an das ich glaubte. »Ich bin selbst ein Drucker!«
»Natürlich.« Er hob Mr Turvilles Brief an Mr Black auf. »Ich weiß, dass das hier ein Trick war, um dich hierherzubringen …«
»Das war kein Trick!«
Er bedachte mich mit einem ungläubigen Blick. Sein Lächeln wurde herablassend. »Du glaubst also, du liebst diesen Mädchen?«
»So wie ich glaube, dass Ihr Eure Frau geliebt habt, Mylord.«
»Werde nicht ausfallend!«, rief er zornig.
Ich wollte schon kontern, dass das gemeine Volk dieselben Leidenschaften haben konnte wie die Lords, doch er wirkte auf eine Weise berührt, die mich innehalten ließ. Er kam zu mir, umrundete mich, schien mich alsdann vollkommen zu vergessen, als er zum Porträt seiner Frau ging und etwas murmelte, das ich nicht verstand. Schließlich drehte er sich zu mir um.
»Also gut. Setz dich.«
Er deutete auf ein Schreibpult, an dem Mr Cole zu sitzen pflegte, auf dem Papier und Tinte lagen, und befahl mir, niederzuschreiben, dass im Austausch für den Anhänger der Half Moon Court in Mr Blacks Eigentum übergehen würde. Er fügte verschiedene juristische Wendungen und Bedingungen hinzu, aber das war der Kern des Dokuments. Ich war nicht in der Lage zu entscheiden, ob er es ernst meinte oder die ganze Angelegenheit als Scherz auffasste, aber auf jeden Fall versetzte es ihn in bessere Stimmung. Er sagte, meine Handschrift sei viel zu geschult, um die eines Edelmanns sein zu können, und vielleicht sei
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