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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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angestänkert. Und du hast was . . . was verdammt . . .«
    »Altjüngferliches?«
    »Ja, genau. Andererseits habe ich Maurice nie verknusen können.«
    Er macht eine wirkungsvolle Pause.
    »Ich bin ein Freund der Damen. Ich zünde also die Zigarre an. Ich kann euch auf der Plattform nicht sehen. Aber ich nehme den Sensor in den Mund und puste, und die Anlage geht los.«
    Er sieht mich prüfend an.
    »Maurice kommt herein auf die Treppe. Voller Blut. Die Sprinkleranlage spült es von der Treppe. Ein kleiner Fluß. Zum Schlechtwerden. Warum machen sie sich so viel Umstände? Was hast du ihnen getan, Smilla?«
    Ich brauche seine Hilfe.
    »Bis jetzt haben sie mich toleriert. Schiefgelaufen ist es erst, als ich dem Achterende zu nahe gekommen bin.«
    Er nickt.
    »Das ist immer Verlaines Reich gewesen.«
    »Und jetzt gehen wir auf die Brücke«, sage ich, »und erzählen das Ganze Lukas.«
    »Das geht nicht, Mann.«
    Er hat jetzt rote Flecken im Gesicht. Ich warte. Aber er kann fast nicht sprechen.
    »Weiß Verlaine, daß du Nadelfreak bist?«
    Er reagiert mit dem barocken Selbstgefühl, das Leute manchmal an den Tag legen, die ziemlich am Ende sind.
    »Ich kontrolliere den Stoff, nicht umgekehrt!«
    »Aber Verlaine hat dich durchschaut. Er kann dich verpfeifen. Warum wäre das so schlimm?«
    Er studiert eingehend seine Tennisschuhe.
    »Warum hast du einen Hauptschlüssel, Jakkelsen?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Ich bin schon auf der Brücke gewesen«, sage ich. »Mit Verlaine. Wir waren uns einig, daß die Alarmanlage von allein losgegangen ist. Und daß ich vor Erstaunen darüber die Treppe runtergefallen bin.«
    »Das schluckt Lukas nie und nimmer.«
    »Er glaubt uns kein Wort. Aber er kann nichts machen. Und du bist überhaupt nicht erwähnt worden.«
    Er ist erleichtert. Dann durchführt ihn ein Gedanke.
    »Warum hast du nicht gesagt, was passiert ist?«
    Ich muß mich seiner Hilfe versichern. Das ist allerdings, als wollte man auf Sand bauen.
    »Verlaine ist mir egal. Mich interessiert Tørk.«
    Die Panik in seinem Gesicht ist wieder da.
    »Das ist viel schlimmer, Mann. Ich kenne meine Pappenheimer, und Tørk ist bad news .«
    »Ich will wissen, was wir holen sollen.«
    »Ich hab's dir doch gesagt, Mann, Dope sollen wir holen.«
    »Nein«, erwidere ich. »Kein Dope. Drogen kommen aus den Tropen. Aus Kolumbien. Aus Burma. Aus Pakistan. Und gehen nach Europa. Oder in die USA. Aber nicht nach Grönland. Nicht in Mengen, für die man einen Viertausendtonner braucht. Der vordere Laderaum ist ja nun besonders groß. Ich habe so was noch nie gesehen. Man kann ihn mit Dampf sterilisieren. Luftzusammensetzung, Temperatur und Feuchtigkeit sind regulierbar. All das hast du gesehen und darüber nachgedacht. Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«
    Seine Hände leben auf meinen Kissen ein eigenes, hilflos flatterndes Leben, wie Vogeljunge, die aus dem Nest gefallen sind. Sein Mund öffnet und schließt sich.
    »Was Lebendiges, Mann. Sonst macht das keinen Sinn. Die wollen was Lebendiges transportieren.«

9
    Sonne schließt mir das Sanitätszimmer auf. Es ist 21 Uhr. Ich nehme mir eine Gazekompresse. Er stützt seine Unsicherheit durch Habtachtstellung ab. Weil ich eine Frau bin. Weil er mich nicht versteht. Weil es etwas gibt, das er zu sagen versucht.
    »Als wir mit den Löschgeräten aufs Zwischendeck kamen, haben Sie mit ein paar Branddecken dagesessen.«
    Ich betupfe die Stelle, an der die Haut abgeschürft ist, mit einer dünnen Wasserstoffperoxidlösung. Kein Merbromin für mich. Ich will es brennen spüren, bevor ich daran glaube, daß es hilft.
    »Ich bin zurückgegangen, die Decken waren nicht mehr da.«
    »Jemand muß sie weggenommen haben«, sage ich. »Ordnung ist was Schönes.«
    »Aber den hier hatten sie nicht weggeräumt.« Hinter seinem Rücken hat er einen nassen, zusammengelegten Jutesack versteckt. Maurice' Blut hat darauf große, rotblaue Flecken hinterlassen. Ich lege die Kompresse auf die Wunde. Die Gaze hat eine Art Kleber, so daß sie von allein hält.
    Ich nehme eine große elastische Binde. Er begleitet mich zur Tür hinaus. Er ist ein netter junger Däne. Er sollte jetzt eigentlich an Bord eines Tankers der Ostasienkompanie sein. Er hätte auf der Brücke eines Schiffes der Reederei Lauritzen stehen können. Und daheim in Ærøskøbing bei Vater und Mutter unter der Kuckucksuhr sitzen, Frikadellen mit dicker Soße essen, die Kochkunst von Mutti loben und Anlaß von Vatis untertreibendem Stolz sein

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