Peter Hoeg
Motorboots und liest im Schein meiner Taschenlampe.
»Das lag zwischen Tørks Papieren«, sage ich.
Wir nehmen noch einen Schluck. Das Mondlicht ist so klar, daß man Farben unterscheiden kann. Das grüne Deck, die blauen Thermohosen, das Gold und Rot auf dem Flaschenetikett. Es ist wie Sonnenlicht. Und fällt mit spürbarer Wärme auf das Deck. Ich küsse ihn. Die Temperatur hat keine Bedeutung mehr. Irgendwann knie ich über ihm. Da gibt es keine Körper mehr, nur noch Hitzepunkte in der Nacht.
Wir sitzen aneinandergelehnt. Er ist es, der die Decke über uns zieht. Ich friere nicht. Wir trinken aus der Flasche. Es schmeckt schwer und feurig.
Bist du von der Polizei, Smilla, nein, antworte ich. Bist du von einer anderen Firma, nein, sage ich. Hast du es die ganze Zeit über gewußt, nein, sage ich. Weißt du es jetzt? Ich habe eine Idee, sage ich.
Wir trinken wieder. Er legt sich auf mich. Das Deck unter der Decke muß kalt sein, doch wir spüren es nicht. Es kommt niemand. Die Kronos liegt ohne Leben da. Als hätte sich das Schiff aus dem Kurs manövriert und mache sich jetzt mit uns auf und davon, nur mit uns.
Irgendwann ist die Flasche leer. Als ich aufstehe, tue ich das, weil ich weiß, daß jetzt etwas anders ist. Hat der Schiffsrumpf keine anderen Öffnungen, frage ich, gibt es keinen anderen Weg, ihn loszuwerden? Weshalb redest du vom Tod, fragt er. Was soll ich ihm antworten? Wo läuft der Anker durch, fragt er.
Wir steigen zum Zwischendeck hinunter. In dem Kasten liegen jetzt Rettungswesten. Jakkelsen ist weg. Wir nehmen die Treppe, gehen durch den Tunnel, den Maschinenraum, den Tunnel, die Wendeltreppe hinauf, er öffnet zwei Riegel und eine Tür, die einen Durchmesser von einem Meter mal einem Meter hat. Die Ankerkette steht straff im Raum. An der Decke verschwindet sie in einem Rohr, an dessen Seiten man das Mondlicht und die Silhouetten des Ankerspills sieht. Nach unten läuft sie durch eine Klüse von der Größe eines Gullydeckels. Der Anker ist bis dicht unter die Klüse hochgezogen. Das läßt nicht viel Platz. Er sieht sich die Öffnung an.
»Hier kriegt man keinen erwachsenen Mann durch.«
Ich befühle den Stahl. Wir wissen beide, daß Jakkelsen heute nacht hier durchgetaucht ist.
»Er war modisch schlank«, sage ich.
3
Kapitän Lukas ist unrasiert, er ist nicht gekämmt und sieht aus, als hätte er in den Klamotten geschlafen.
»Was wissen Sie über elektrischen Strom, Jaspersen?«
Wir sind allein auf der Brücke. Es ist halb sieben Uhr morgens. Noch anderthalb Stunden, bis seine Wache anfängt. Seine Gesichtshaut ist gelblich und mit einem dünnen Schweißfilm überzogen.
»Ich kann eine Birne auswechseln«, sage ich. »Aber normalerweise verbrenne ich mir dabei die Finger.«
»Gestern, als wir am Kai lagen, wurde auf der Kronos die Stromversorgung unterbrochen. Und in einem Teil der Hafenanlage.«
Er hat ein Stück Papier in der Hand. Die Hand und das Papier zittern.
»Auf einem Schiff liegen alle Leitungen zwischen Sicherungskästen. Folglich haben alle Stecker eine Sicherung. Wissen Sie, was das heißt? Es heißt, daß es auf einem Schiff verdammt schwer ist, die Elektrizität durcheinanderzubringen. Es sei denn, man ist schlauer als erlaubt und geht direkt an die Hauptleitung. Gestern ist jemand an die Hauptleitung gegangen. In den allzu kurzen Augenblicken, in denen Kützow nüchtern ist, hat er seine hellen Momente. Er hat die Ursache des Störfalls ausfindig gemacht. Eine Stopfnadel. Gestern hat jemand eine Stopfnadel in das Zuleitungskabel gesteckt. Vermutlich mit einer Isolierzange. Und hinterher das Nadelöhr abgebrochen. Vor allem letzteres war geschickt. Das bedeutet nämlich, daß sich die Isolierung über der Nadel zusammenzieht. Der Fehler ist hinterher nicht mehr zu finden. Wenn man nicht wie Kützow ein paar Tricks mit einem Magneten und einem Polsucher drauf hat und im übrigen eine Nase dafür hat, wonach man suchen muß.«
Ich denke an Jakkelsens Aufgeräumtheit. An den Tonfall seiner Stimme. Ich deichsle das hier für uns, Smilla. Morgen ist alles anders. Ich habe einen ganz neuen Respekt vor seinen Ressourcen.
»Es sieht ganz danach aus, als habe sich bei dieser Verdunkelung einer der Matrosen – Bernard Jakkelsen – über das Ausgehverbot hinweggesetzt und die Kronos verlassen. Heute morgen haben wir von ihm dieses Telegramm erhalten. Es ist eine Kündigung.«
Er reicht mir das Papier. Es ist ein Fernschreiberausdruck. Er kommt von der Telestation
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