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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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Ich würde am liebsten zum Ausgang tanzen.
    Vor mir in der Dunkelheit, ein Stück weiter den Flur hinunter, ruft eine Frau leise und befehlend. Ich mache kehrt und taste mich zurück. Vor mir kichert ein Mann und geht an der offenen, mondhellen Tür zum Salon vorbei. Er ist nackt. Er hat eine Erektion. Sie haben mich nicht gesehen. Ich bin zwischen sie geraten.
    Ich trete rücklings in die Toilette zurück, zurück in die Dusche. Das Licht wird angemacht. Sie kommen zur Tür herein. Er geht zum Waschbecken. Bleibt stehen und wartet, daß seine Erektion nachläßt. Dann stellt er sich auf die Zehen und uriniert in das Waschbecken. Es ist Seidenfaden. Der Autor des Berichts über den Transport schwerer Massen über Meereseis, in dem ich gerade geblättert habe. Des Berichts, in dem er auf einen Aufsatz verweist, den ich geschrieben habe. Und jetzt sind wir uns zum Greifen nah. Wir leben in einer Welt komprimierter Zusammenhänge.
    Die Frau steht hinter ihm. Ihr Gesicht ist konzentriert. Einen Moment lang glaube ich, daß sie mich im Spiegel gesehen hat. Dann hebt sie die Hände über den Kopf. Sie hält einen Gürtel, mit der Schnalle nach unten. Als sie schlägt, tut sie das so genau, daß nur die Schnalle trifft und einen langen, weißen Streifen über seine eine Pobacke zieht. Der Streifen ist erst weiß, danach flammend rot. Er packt das Waschbecken, macht ein Hohlkreuz und drückt den Po nach hinten. Sie schlägt erneut, die Schnalle trifft die andere Backe. Romeo und Julia fallen mir ein. Europa hat eine lange Tradition vornehmer Rendezvous. Dann geht das Licht aus. Die Tür geht. Sie sind weg.
    Ich trete in den Flur hinaus. Meine Knie zittern. Ich weiß nicht, was ich mit den Papieren anfangen soll. Ich mache zwei Schritte auf Tørks Kajüte zu. Bereue es. Mache einen Schritt zurück. Beschließe, sie im Salon abzulegen. Es gibt keinen anderen Ausweg. Ich fühle mich, als säße ich auf einem Verschiebebahnhof fest. Vor mir im Dunkeln geht eine Tür auf. Diesmal gibt es keine Vorwarnung, kein Licht wird angemacht, und nur weil mir der Weg inzwischen vertraut ist, kann ich gerade noch in das Bad zurücktreten und mich in die Dusche stellen.
    Auch das Badlicht wird diesmal nicht angemacht, dafür aber die Tür geöffnet, zugemacht und abgeschlossen. Ich halte den Schraubenzieher bereit. Sie kommen, um mich zu holen. Hinter meinem Rücken die Papiere. Ich werde sie fallen lassen, wenn ich zusteche. Schräg von unten gegen den Unterleib. Und dann werde ich loslaufen.
    Der Vorhang wird zur Seite gezogen. Ich mache mich bereit, mich von der Wand abzustoßen.
    Das Wasser wird aufgedreht. Das kalte Wasser. Danach das heiße. Dann die Temperatur eingestellt. Der Duschkopf ist auf die Wand gerichtet gewesen. Ich bin nach drei Sekunden klatschnaß.
    Der Strahl wird von der Wand weggedreht, jemand stellt sich darunter. Ich bin zehn Zentimeter von ihm weg. Abgesehen vom Plätschern des Wassers sind keine Geräusche zu hören. Und es ist kein Licht an. Aber ich brauche kein Licht, um auf diese Entfernung den Mechaniker zu erkennen.
    Im Weißen Schnitt machte er im Treppenhaus nie Licht an. Er wartete im Keller bis zum letzten Moment, bevor er auf den Schalter drückte. Er mag die Ruhe und die Einsamkeit in der Dunkelheit.
    Seine Hand streift mich, als er nach dem Seifenhalter tastet. Er findet ihn, tritt ein wenig vor den Duschstrahl und seift sich ein. Legt die Seife zurück, massiert die Haut. Sucht wieder nach der Seife. Seine Finger streifen meine Hand und verschwinden, dann kommen sie langsam zurück. Befühlen die Hand. Ein Nach-Luft-Schnappen wäre jetzt ja wohl das mindeste. Auch ein Schrei wäre angebracht. Doch er gibt keinen Ton von sich. Seine Finger registrieren den Schraubenzieher, nehmen ihn mir vorsichtig aus der Hand, folgen dem Arm bis zum Ellbogen.
    Das Wasser wird abgedreht, der Vorhang zur Seite gezogen. Er tritt in den Raum hinaus. Einen Augenblick später macht er das Licht an.
    Er hat ein großes, oranges Handtuch um die Hüften geschlungen. Sein Gesicht ist ausdruckslos. Alles, was er tut, ist ruhig, überlegt, verhalten.
    Er sieht mich. Und dann erkennt er mich.
    Seine Beherrschung der Gegenwart gerät in Auflösung. Er rührt sich nicht, sein Gesicht verändert kaum den Ausdruck. Aber er ist wie gelähmt.
    Ich weiß jetzt, daß er nicht gewußt hat, daß ich an Bord bin.
    Er sieht mein nasses Haar, mein klitschnasses Kleid, die durchweichten Papiere, die ich jetzt vor mir halte. Die quietschnassen

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