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Peter Hoeg

Peter Hoeg

Titel: Peter Hoeg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fräulein Smillas Gespür für Schnee
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steht an der Tür, als wollte er mir den Weg versperren.
    Ich denke an die Unzulänglichkeit dessen, was er mir heute erzählt hat.
    Er tritt beiseite. Ich gehe vorbei. Meine Stiefel und meinen Pelz in der Hand.
    »Ich habe einen Teil des Berichts liegengelassen. Das ist eine gute Leseübung für deine Legasthenie.«
    Sein Gesicht hat etwas Neckendes.
    »Smilla. Wie kommt es, daß ein so zartes und zierliches Mädchen wie du eine so grobe Stimme hat?«
    »Tut mir leid«, sage ich, »wenn ich den Eindruck mache, daß ich nur ein grobes Mundwerk habe. Ich gebe mir alle Mühe, überhaupt grob zu sein.«
    Dann mache ich die Tür zu.

11
    Ich habe den ganzen Vormittag geschlafen und bin ein bißchen spät aufgewacht, habe also nur anderthalb Stunden Zeit zum Duschen und Anziehen und für das Beerdigungs-Make-up gehabt, was viel zuwenig ist, wie jeder, der sich gern vorteilhaft präsentieren möchte, bestätigen kann. Ich bin deshalb noch ganz benommen, als wir in die Kapelle kommen, und nach der Feier geht es mir immer noch nicht besser. Als ich dann neben dem Mechaniker hergehe, ist mir, als hätte jemand meinen Deckel abgeschraubt und mit der großen Flaschenbürste ein paarmal hoch und runter geschrubbt.
    Etwas Warmes legt sich um meine Schultern. Er hat seinen Mantel ausgezogen und ihn mir umgehängt. Er reicht mir bis zu den Füßen.
    Wir bleiben stehen und schauen auf das Grab und unsere eigenen Spuren zurück. Seine großen, schiefgetretenen Absätze. Vermutlich ist er, für das Auge kaum sichtbar, ein ganz klein wenig O-beinig. Meine kleinen Löcher von den Hochhackigen. Könnten an Rehspuren erinnern. Eine schräge, nach unten rutschende Bewegung, und am Grund der Spur schwarze Flecken, wo die Hufe durch die Schneedecke bis zur Erde vorgedrungen sind.
    Die Frauen gehen an uns vorbei. Ich sehe nur ihre Stiefel und Schuhe. Drei von ihnen tragen Juliane, ihre Schuhspitzen schleifen über den Schnee. Neben dem Talar steht ein Paar schwarze Stiefel aus besticktem Pelz. Über dem Tor zur Allee hängt eine Lampe. Als ich aufschaue, hebt die Frau ihren Kopf und macht eine Bewegung, so daß ihre langen Haare im Dunkel verschwimmen und ihr Gesicht das Licht einfangt, es ist ein weißes Gesicht mit großen Augen, wie dunkles Wasser in der Blässe. Sie hält den Pfarrer am Arm und spricht eindringlich auf ihn ein. Etwas an diesen beiden Gestalten nebeneinander läßt das Bild stocken und sich im Gedächtnis festsetzen.
    »Fräulein Jaspersen.«
    Es ist Ravn. Mit zwei Freunden. Zwei Männern. Ihre Mäntel sind so groß wie seiner, aber sie können sie ausfüllen. Darunter tragen sie einen blauen Anzug, weißes Hemd und Schlips und Sonnenbrillen, damit sie die Winterdunkelheit hier um vier Uhr nachmittags nicht blendet.
    »Ich möchte gern ein paar Worte mit Ihnen reden.«
    »Bei der Polizei für Wirtschaftskriminalität? Über meine Investitionen?«
    Er nimmt das ausdruckslos entgegen. Er hat ein Gesicht, auf das sich im Laufe der Zeit so viel herabgesenkt hat, daß nichts mehr es richtig beeindruckt. Er macht eine Handbewegung zum Auto hin.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich im Moment Lust dazu habe.«
    Er rührt sich keinen Millimeter vom Fleck. Aber seine beiden Logenbrüder sickern unmerklich näher heran.
    »Smilla. W-wenn du keine Lust hast, brauchst du nicht mitzugehen, finde ich.«
    Es ist der Mechaniker. Er hat den Männern den Weg vertreten.
    Wenn Tiere – und im großen und ganzen alle gewöhnlichen Menschen – vor einer physischen Bedrohung stehen, wird in ihrem Körper etwas steif. Physiologisch betrachtet ist das unökonomisch, aber es ist ein Gesetz. Eisbären sind davon ausgenommen. Sie können vollendet entspannt zwei Stunden lang auf der Lauer liegen, ohne auch nur eine Sekunde den maximalen Bereitschaftstonus der Muskulatur zu lockern. Jetzt sehe ich, daß auch der Mechaniker davon ausgenommen ist. Seine Haltung ist fast locker. Doch in seiner Konzentration auf die Männer vor ihm liegt eine physische Gefährlichkeit, die mir erneut klarmacht, wie wenig ich über ihn weiß.
    Auf Ravn hat sie keine sichtbare Wirkung. Aber sie läßt die beiden blauen Männer einen Schritt zurücktreten, wobei sie zugleich ihre Jacken aufknöpfen. Kann sein, daß ihnen zu warm ist. Kann sein, daß sie an derselben nervösen Zuckung leiden. Kann aber auch sein, daß sie beide einen Totschläger mit Bleikern haben.
    »Werde ich zurückgefahren?«
    »Bis vor die Tür.«
     
    Während der Fahrt sitze ich mit Ravn auf dem

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