Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
früher bei der Alemannia mal einen Fangesang gegeben hat: »Wir brauchen keinen Seeler, wir brauchen keinen Brülls. Wir kaufen unsere Spieler vom TSV Marl-Hüls.« Es ist augenscheinlich genau jene Mischung aus Engagement und Identifikation mit der Alemannia, die die Aachener hören wollen. Neururer erhält einen Vertrag. Für den in Essen unterbezahlten Trainer ist der Anstieg seiner Bezüge um das etwa Dreieinhalbfache geradezu unvorstellbar. Aber auch hier ist es weniger das Geld als mehr der Verein, die Aufgabe, die Neururer reizt. In seiner Generation genießt die Alemannia einen klangvollen Namen, der Tivoli gilt als kultiges Stadion. Entsprechend muss der Fußballfan Neururer nicht lange überlegen. Er unterschreibt, und er ist sich sicher, dass dies sein Durchbruch sein wird.
Peter Neururer übernimmt Alemannia Aachen, und mit seinem Amtsantritt rücken die Träume von der Ersten Liga und die Aufstiegstabellenplätze wieder näher. Lange bleibt die Mannschaft oben dran, doch nach einem 0:4 ausgerechnet bei Neururers Ex-Club Rot-Weiss Essen am viertletzten Spieltag ist der Traum vom Aufstieg oder zumindest der Teilnahme an der Relegation nur noch rechnerisch möglich. Zwar sollen in Aachen schon die Blankoticlcets für das Relegationsrückspiel gedruckt worden sein - und auch sein Team bekundet mit drei Siegen gegen Düsseldorf (4:0), in Remscheid (3:1) und gegen Meppen (4:1) den Aufstiegswillen -, am Ende fehlt jedoch ein Punkt, um nach 17 Jahren die Rückkehr in Deutschlands höchste Fußballspielklasse zu schaffen. Die Leistung des verantwortlichen Trainers wird in Aachen gleichwohl als großer Erfolg bewertet.
Auch deswegen wird die Alemannia zu Beginn der Folgespielzeit 1988/89 zusammen mit dem FC Schalke 04 als Favorit auf den Aufstieg gehandelt. Doch ehe gegen den Ball getreten wird, sorgen außersportliche Aspekte für erhebliche Probleme rund um den Tivoli. Erneut gerät die Alemannia in massive finanzielle Schwierigkeiten, die Lizenz ist in Gefahr. Deswegen wird Goalgetter Theo Gries bereits vor Saisonstart an Hertha BSC verkauft. Und gegen Ende der Hinrunde gerät auch der Trainer in die Kritik.
In seiner zweiten Saison startet Neururer mit Aachen ordentlich, wenn auch nicht überragend. Aber es zeigt sich, dass die Zielsetzung des Vereins falsch gewählt ist. Mit einem 16-Mann-Kader die physisch extrem beanspruchende Zweitligasaison zu überstehen, wäre allein schon eine gute Sache. Mit der Mannschaft aber tatsächlich im Rennen um die Aufstiegsplätze mitreden zu wollen, ist einfach nur irreal. Die Einsicht in die falsche Zielsetzung aber lassen die Aachener Clubverantwortlichen vermissen.
Entsprechend mehren sich im Winter die Gerüchte, dass der beim Publikum und vor allem in der Mannschaft beliebte, im Umgang mit den Vereinsoberen jedoch oft unbequeme Trainer rausgeworfen werden soll. Tatsächlich, wenn bei realistischer Betrachtung auch keineswegs unerwartet, läuft es gegen Ende der Hinrunde sportlich nicht besonders gut für die Alemannia. Aachen kommt nicht von der Abstiegszone der Zweiten Liga weg. Es sickert durch, dass die Ver-antwortlichen planen, Neururer bei einer Niederlage gegen die starken Meppener umgehend von seinen Aufgaben zu entbinden.
Vor diesem wichtigen Spiel präsentiert sich die Mannschaft rundweg in einem guten Zustand, gleichwohl fehlen wichtige Leistungsträger. Vor allem der grippebedingte Ausfall von Mittelfeldspieler und Antreiber Andreas Brandts wiegt so schwer, dass die Truppe entscheidend geschwächt in die Partie gegen die Emsländer geht.
Das Wetter über Aachen wird zusehends schlechter. Am Donnerstag beginnt es zu regnen, am Freitag, dem Tag vor dem Spiel, regnet es noch stärker. Der Platz auf dem Tivoli, ohnehin eher tief als knochentrocken, ist jetzt noch tiefer - er ist: unbespielbar. Am Freitagnachmittag verabschiedet sich Neururer von seiner Mannschaft:
»Jungs, wir sehen uns morgen zum Training, da machen wir uns locker. Das Spiel findet ja wohl nicht statt.«
»Das Spiel darf nicht stattfinden«, wirft Linksaußen Egbert Zimmermann ein.
»Was heißt >darf nicht stattfindend Wir können sowieso nicht spielen. Der Tivoli steht unter Wasser, da geht nichts«, sagt Neururer.
Was der Trainer zunächst an der Aussage Zimmermanns nicht versteht, wird ihm später klar, als man ihm zuträgt, dass einige seiner Jungs den Platz mit Schläuchen komplett unter Wasser gesetzt haben. Sie wollen sicherstellen, dass das Spiel in keinem Fall ausgetragen
Weitere Kostenlose Bücher