Peter Neururer - Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers
einem mindestens 200 Kilometer entfernten Stadion auszutragen.
In dieser auf allen Ebenen angespannten Situation muss das Duo Eichberg/Kremers jetzt schnell einen neuen Trainer, einen Hoffnungsträger präsentieren. Von dem zu dieser Zeit Schalke 04 für die »Bild«-Zeitung betreuenden Reporter Wilfried Pastors haben die beiden einen Tipp erhalten. Pastors sagt ihnen, dass Peter Neururer Alemannia Aachen auch im Fall des Aufstiegs zum Saisonende verlassen will. Deshalb soll Schalke doch mal bei dem jungen Mann anfragen, der zudem ja auch aus dem Ruhrpott stamme. Was Kremers und Eichberg nicht wissen: Pastors ist ein Studienkollege Neururers. Und nachdem er mit den Schalker Potentaten über seinen früheren Kommilitonen gesprochen hat, bereitet Pastors Neururer daraufvor, dass Schalke sich sehr bald bei ihm melden werde: »Peter, die haben Druck.«
Kremers ruft also Neururer zu später Stunde an. Er fragt ihn, ob er sich vorstellen könne, sofort Cheftrainer auf Schalke zu werden. Streng genommen ist Kremers Anfrage ein Bruch der DFB-Regularien, denn ein Club darf nicht an einen Trainer mit laufendem Arbeitsvertrag herantreten. Doch Kremers beruhigt Neururer, signalisiert ihm, dass Schalke bereit sei, nicht nur eine Ablösesumme für ihn an Aachen zu zahlen, sondern zudem auch noch das Gehalt für Neururers Nachfolger auf dem Tivoli zu übernehmen.
Neururer muss nicht überlegen. Er will Schalkerwerden. Die 350.000 Mark Prämie, die ihm im Fall des Aufstiegs in die Erste Liga mit Aachen zustehen, interessieren ihn schlagartig nicht mehr. Wenn er Schalke vor dem Untergang rettet, wenn ihm dieses Fußballwunder mit diesem Traditionsverein gelingt, dann, so weiß Neururer, hat er es in Deutschland als Trainer geschafft. Die Wertschätzung ehrt ihn, die Herausforderung ist riesengroß, Neururer liebt das. Er hört auf sein Herz, und er wittert, dass dies der Moment für ihn als Fußballtrainer ist: die größte Chance in seinem Leben, nach oben zu kommen, in eine neue Welt einzutreten. Eine Welt, die er bis dato nur von außen kennt. Zudem weiß er, dass seine Verhandlungsposition besser kaum sein könnte. Allerdings muss er jetzt erst einmal Gas geben. Denn Kremers und Eichberg wollen noch in der Nacht mit ihm verhandeln.
Kremers bittet Neururer, umgehend in die Hebbelstraße nach Düsseldorf zu kommen, Hausnummer 16, in die Villa Eichbergs. Mit zitternden Händen legt Neururer den Hörer auf, er weckt seine schon zu Bett gegangene Frau.
»Schatz, ich muss noch mal los.«
»Wo willst du denn um die Uhrzeit noch hin?«, fragt Antje Neururer ihren Mann.
»Ich fahr nach Schalke, und ich werde da unterschreiben.«
Neururer setzt sich in seinen Renault Alpine Turbo und bringt die 80 Kilometer von Aachen nach Düsseldorf unter Auslassung der allermeisten Verkehrsregeln in Rekordzeit hinter sich. Als er an dem Haus in der Hebbelstraße klingelt, öffnet ihm Christa Paas, die Lebensgefahrtin Eichbergs. Sie trägt einen türkisfarbenen Bademantel und bittet Neururer herein. Der Hausherr und Kremers werden bald kommen, sagt sie. Doch bis die beiden Herren eintreffen, vergehen anderthalb Stunden, in denen Neururer und Frau Paas sich über Gott und die Welt und Schalke unterhalten. Als Eichberg dann die Tür aufsperrt, sagt Paas zu ihm: »Günter, den nehmen wir.«
»Was heißt hier, den nehmen wir«, unterbricht Neururer, »wir müssen doch wohl erst mal ein bisschen reden, oder?«
Das Angebot, das Eichberg Neururer in den kommenden Minuten unterbreitet, ist für den Trainer schier unglaublich. Schalke wäre nach Essen und Aachen ja erst Neururers dritte Station im Berufsfußball. Es ist fast halb zwei nachts, Neururer ist überwältigt, er ist glücklich, aber er muss jetzt schnell nach Hause. Morgen wird er sein wahrscheinlich letztes Training in Aachen leiten. Er verabschiedet sich, verlässt das Haus und geht zu seinem Auto. Da öffnet sich plötzlich hinter ihm die Tür und Eichberg ruft:
»Trainer, Trainer, kommen Sie doch bitte noch mal.«
»Nee, ist doch alles klar«, ruft Neururer. Er befürchtet, Schalkes Clubchef könne noch einen Rückzieher von seinem sensationellen Angebot machen. »Ich bin dann übermorgen um neun Uhr zum ersten Training da.«
»Trainer«, sagt Eichberg und geht auf Neururer zu, »ich will ehrlich mit Ihnen umgehen.«
»Wie darf ich das verstehen?«, fragt Neururer immer noch in Sorge.
»Bevor ich mit Ihnen verhandelt habe, habe ich mit Udo Lattek und Rainer Bonhof als Trainergespann
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