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Peter Pan

Peter Pan

Titel: Peter Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James M. Barrie
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dem Degen, von dem er glaubte, er habe damit John Silver erschlagen. Und sein Auge blitzte vor Kampfeslust.

Die Kinder werden entführt 
    DER Angriff der Piraten war völlig überraschend gekommen; ein sicherer Beweis dafür, daß der skrupellose Hook ihn unehrenhaft geführt hat, denn was es heißt, Rothäute wirklich zu überraschen, kann der weiße Mann sich gar nicht vorstellen.
    Nach allen ungeschriebenen Gesetzen der wilden Kriegskunst ist es immer die Rothaut, die angreift, und mit der ganzen Schläue ihrer Rasse tut sie das kurz vor Tagesanbruch, weil sie weiß, daß dann der Mut der Weißen am tiefsten gesunken ist. Die weißen Männer haben inzwischen auf dem höchsten Punkt der hügeligen Landschaft eine primitive Palisade errichtet, zu deren Fuß ein Gewässer dahinfließt – es ist tödlich, sich zu weit vom Wasser zu entfernen. Dort erwarten sie den Angriff. Die Unerfahrenen halten nervös ihre Revolver umklammert und trampeln auf der Stelle, während die Altgedienten ruhig schlafen bis kurz vor Tagesanbruch. Durch die lange schwarze Nacht winden sich die wilden Späher wie die Schlangen; sie streichen durchs Gras, ohne daß ein Halm sich rührt. Das Dickicht schließt sich hinter ihnen so lautlos wie die Erde, in die sich ein Maulwurf verkrochen hat. Kein Ton ist zu hören, außer wenn sie, ganz wunderbar, den lieblichen Schrei des Steppenwolfs  nachahmen. Andere Männer antworten dem Schrei, und manche können ihn besser als die Steppenwölfe selber, die ihn nicht sehr gut beherrschen.
    So schleichen die schlimmen Stunden dahin, und die lange Anspannung ist furchtbar quälend für ein Bleichgesicht, das sie zum erstenmal ertragen muß. Doch für die Geübten ist das grausige Geheul und die noch grausigere Stille nichts als ein Zeichen dafür, daß die Nacht vergeht.
    So war das immer, und das wußte Hook ganz genau, und wenn er sich nicht daran hielt, konnte er sich nicht damit herausreden, er hätte es nicht gewußt.
    Die Pickaninnis ihrerseits vertrauten stillschweigend auf seine Ehre, und alles, was sie in dieser Nacht un-ternahmen, stand in auffälligem Gegensatz zu Hooks Verhalten. Sie taten alles, was irgend mit dem Ruf ihres Stammes vereinbar war. Durch ihr sicheres Gespür, das zivilisierte Menschen mit Bewunderung und zugleich mit Schrecken erfüllt, wußten sie, daß Piraten auf der Insel waren – seit dem Augenblick, als einer auf einen trockenen Ast getreten war, und in unglaublich kurzer Zeit ging das Wolfsgeheul los. Jeder Zentimeter Boden zwischen dem Punkt, wo Hook mit seinen Leuten ge-landet war, und dem Haus unter den Bäumen wurde heimlich von Männern untersucht, die ihre Mokassins verkehrtherum (also mit den Fersen nach vorn) trugen.
    Sie fanden nur einen einzigen kleinen Hügel an einem Gewässer; Hook hatte keine Wahl, hier mußte er sich niederlassen und warten – bis kurz vor Tagesanbruch.
    Nachdem alles mit peinlicher Genauigkeit durchdacht und geplant war, wickelten sich die meisten Rothäute in eine Decke und hockten unbeweglich – das gilt bei ihnen als höchst männlich – über dem Haus der Kinder und warteten auf den schrecklichen Augenblick, da sie dem Tod ins Gesicht sehen sollten.
    Hier träumten sie, wenngleich hellwach, von den außergewöhnlichen Qualen, die sie Hook bei Tagesanbruch bereiten würden. Hier erwischte der Verräter die arglosen Rothäute. Nach späteren Berichten von den Kriegern, die dem Blutbad entkamen, hat er of-fenbar nicht einmal beim Hügel angehalten, obwohl er ihn in der Dämmerung gesehen haben muß. Nie, in keinem Augenblick, ist seinem zarten Geist der Gedanke gekommen: Warte, bis du angegriffen wirst. Er wollte nicht einmal das Ende der Nacht abwarten. Er schlug drauflos, ohne List, ohne Taktik, einfach so. Was konnten die verblüfften Späher tun? Sie kannten jede kriegerische List, bloß so etwas nicht. Also trotteten sie hilflos hinter Hook her, fürchterlich blamiert, und heulten markerschütternd wie die Wölfe.
    Die tapfere Tiger Lily hatte ein Dutzend ihrer stärk-sten Krieger um sich versammelt, und plötzlich sahen sie, wie sich die verräterischen Piraten auf sie stürzten.
    Aus der Traum vom großen Sieg. Nie mehr würden sie jemanden am Marterpfahl quälen. Nun hieß es: ab in die Ewigen Jagdgründe. Das wußten sie. Aber als Söhne ihrer Väter taten sie ihre Pflicht. Sie hätten noch Zeit gehabt, eine geschlossene Reihe zu bilden, die schwer zu  durchbrechen gewesen wäre, wenn sie sich nur schnell erhoben

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