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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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zuerst die Kleidung betrachten.
    »Ich komme also, Petrowitsch … weißt du, dieser Mantel da … das heißt, das Tuch ist ja ganz gut; es ist nur etwas verstaubt und sieht daher alt aus, es ist aber ganz neu; aber da, an einer Stelle, im Rücken, und auch hier in der Schulter, ist es etwas abgerieben, und auch auf der anderen Schulter, siehst du? Das wäre alles. Die Arbeit ist ja nicht groß …«
    Petrowitsch nahm den Morgenrock in die Hand, breitete ihn auf dem Tische aus und griff nach seiner runden Tabaksdose, deren Deckel mit dem Bildnis eines Generals geschmückt war; wer der dargestellte General war, ließ sich nicht mehr feststellen, denn gerade auf der Stelle des Gesichts hatte der Deckel ein von einem Finger herrührendes Loch, das nun mit einem viereckigen Stück Papier überklebt war. Petrowitsch nahm eine Prise, betrachtete den Morgenrock von neuem, hielt ihn gegen das Licht und schüttelte den Kopf. Darauf wandte er seine Aufmerksamkeit dem Futter zu und schüttelte abermals den Kopf; dann öffnete er wieder die Dose mit dem überklebten Generalskopf, nahm eine tüchtige Prise, stellte die Dose weg und sagte endlich:
    »Nein, da ist nichts zu machen. Der Mantel taugt nichts.«
    Bei diesen Worten bekam Akakij Akakijewitsch Herzklopfen.
    »Warum denn, Petrowitsch?« fragte er mit flehender, kindlicher Stimme. »Er ist ja nur an den Schultern etwas abgerieben; du wirst doch schon einen passenden Fleck finden, um es auszubessern …«
    »Ja, ein Fleck läßt sich wohl finden,« sagte Petrowitsch, »aber wie soll ich ihn annähen? Das Tuch ist ja schon ganz faul, wenn man es mit der Nadel anrührt, fällt es auseinander.«
    »Nun, wo’s auseinanderfällt, da setzt du gleich einen Fleck hin.«
    »Worauf soll ich denn den Fleck befestigen? Der Stoff ist zu sehr abgetragen. Sie können es meinetwegen Tuch nennen, das Zeug fliegt aber beim ersten Windstoß in Fetzen auseinander.«
    »Versuch’s einmal. Wie wäre es denn sonst wirklich …«
    »Nein!« sagte Petrowitsch sehr entschieden. »Da kann ich nichts machen, die Sache ist hoffnungslos. Machen Sie sich lieber Fußlappen daraus für den Winter; denn Strümpfe halten ja nicht genügend warm, die Deutschen haben sie erfunden, um mehr Geld zu verdienen. (Petrowitsch liebte von Zeit zu Zeit Ausfälle gegen die Deutschen zu machen.) Was aber den Mantel betrifft, so müssen Sie sich halt einen neuen machen lassen.«
    Beim Worte »neu« wurde es Akakij Akakijewitsch ganz schwindelig, das ganze Zimmer drehte sich um ihn; das einzige, was er noch deutlich sah, war der mit Papier überklebte General auf Petrowitschs Tabaksdose.
    »Einen neuen?« sagte er wie im Traume. »Ich habe ja kein Geld.«
    »Jawohl, einen neuen Mantel,« bestätigte Petrowitsch mit grausamer Gelassenheit.
    »Nun, und wenn es unbedingt ein neuer sein muß, wie wäre es dann …«
    »Sie meinen, was er kosten würde?«
    »Ja.«
    »Ja, da müßten Sie schon hundertfünfzig Rubel anlegen,« sagte Petrowitsch und kniff dabei seine Lippen bedeutungsvoll zusammen. Er liebte überhaupt starke Effekte und setzte gern einen in Verlegenheit, um dann den Gesichtsausdruck des so Überrumpelten zu beobachten.
    »Was! Hundertfünfzig Rubel für einen Mantel!« schrie der arme Akakij Akakijewitsch auf; er schrie wohl überhaupt zum ersten Mal in seinem Leben, denn er zeichnete sich sonst durch seinen ruhigen stillen Ton aus.
    »Jawohl,« sagte Petrowitsch, »und dann kommt es noch auf die Güte des Mantels an. Wenn wir einen Marderkragen nehmen und die Kapuze mit Seide füttern, so können es auch zweihundert werden.«
    »Petrowitsch, ich bitte dich,« flehte Akakij Akakijewitsch, die auf einen Effekt berechneten Ausführungen Petrowitsch ignorierend, »versuchs doch mit einer Reparatur; vielleicht kann mir der Mantel doch noch eine kurze Zeit dienen.«
    »Nein, es wäre schade um die Arbeit und auch ums Geld,« sagte Petrowitsch.
    Diese Antwort wirkte auf den Armen ganz niederschmetternd, und er ging fort. Petrowitsch blieb noch eine Zeitlang in der gleichen Haltung mit zusammengekniffenen Lippen müßig sitzen; er freute sich, daß er nicht nachgegeben und auch das ehrsame Schneiderhandwerk nicht herabgewürdigt hatte.
    Akakij Akakijewitsch ging durch die Straße wie ein Nachtwandler. »So stehen die Sachen,« sprach er zu sich selbst, »ich hätte wirklich nicht erwartet, daß sie so stehen …« Nach einer Pause fügte er noch hinzu: »Also, so ist’s! So weit ist es gekommen! Ich hätte es

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