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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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zu trinken und kein Licht zu machen, die Schreibarbeiten aber im Zimmer der Wirtin zu verrichten; bei den Gängen in der Stadt die Füße recht vorsichtig zu setzen und so die Schuhe zu schonen; schließlich zu Hause als einzige Bekleidung seinen alten baumwollenen Schlafrock, der so ehrwürdig alt war, daß ihn selbst der Zahn der Zeit verschonte, zu tragen und möglichst wenig Wäsche zum Waschen zu geben.
    Diese Entbehrungen kamen ihn anfangs schwer an; er gewöhnte sich aber allmählich an diese Lebensweise und kam schließlich ganz gut auch ohne Abendessen aus; dafür aber hatte er geistige Nahrung in den ewigen Gedanken an den neuen Mantel. Sein Leben wurde reicher und inhaltsvoller, als ob er plötzlich geheiratet hätte und seinen Lebensweg nicht mehr allein ginge: ein neuer Lebensgefährte begleitete ihn auf allen Wegen, und dies war ein gut wattierter, dauerhafter, neuer Mantel. Er wurde viel lebhafter, und sein Charakter festigte sich, denn nun hatte er ein Lebensziel. Seine Schüchternheit, Unentschlossenheit und Unbeholfenheit waren ganz verschwunden. Seine Augen leuchteten, und durch seinen Kopf zogen ganz verwegene Gedanken: »Soll ich mir vielleicht doch einen Marderkragen machen lassen?«
    Alle diese Gedanken lenkten ihn so sehr ab, daß er einmal beim Abschreiben beinahe einen Fehler gemacht hätte. Er kam aber noch rechtzeitig zu sich, seufzte auf und bekreuzigte sich. Mindestens einmal im Monat suchte er Petrowitsch auf, um mit ihm über den Mantel zu konferieren: es wurde erörtert, wo man das Tuch am vorteilhaftesten kaufen und wieviel man dafür zahlen solle. Er ging dann immer etwas besorgt, aber befriedigt heim und träumte von dem Tag, an dem er endlich den Mantel bekommen würde.
    Die Sache ging viel schneller, als er erwartete. Die Gratifikation betrug zu seiner großen Überraschung weder vierzig, noch fünfundvierzig, sondern sechzig Rubel. Vielleicht ahnte der Direktor, daß Akakij Akakijewitsch einen Mantel brauchte, oder war es nur ein reiner Zufall? Jedenfalls wurde dadurch die Sache sehr beschleunigt: er brauchte nur noch zwei bis drei Monate zu hungern, um die achtzig Rubel beisammen zu haben. Sein sonst so ruhiges Herz pochte lebhaft. Als die achtzig Rubel endlich da waren, ging er sofort mit Petrowitsch in einen Tuchladen.
    Sie kauften ganz vorzüglich ein; – das fiel ihnen nicht schwer, denn sie hatten seit einem halben Jahr sämtliche Tuchläden abgesucht und alle Preise erfragt; Petrowitsch behauptete, es gäbe gar kein besseres Tuch als dieses. Zum Futter nahmen sie Baumwollzeug, aber von der allerbesten Sorte; Petrowitsch meinte, es sei viel besser und sogar eleganter als Seide. Auf den Marderkragen mußten sie verzichten, denn der Preis war wirklich zu hoch; sie nahmen dafür Katzenfell, ebenfalls von der besten Sorte; man konnte es aus einiger Entfernung für Marder halten.
    Petrowitsch brauchte zur Anfertigung des Mantels zwei Wochen; es war nämlich viel Stepparbeit dabei, sonst wäre der Mantel früher fertig gewesen. Die Arbeit sollte zwölf Rubel kosten; dies war auch das Alleräußerste, denn alles war mit Seide genäht, und jede Naht wurde von Petrowitsch mit den Zähnen geglättet, die im Tuch verschiedene eingepreßte Ornamente zurückließen.
    Es war an einem … ich weiß nicht mehr, welcher Wochentag es war, jedenfalls war es aber der feierlichste Tag in Akakijs Leben, als er seinen Mantel bekam. Petrowitsch brachte ihn früh morgens gerade um die Stunde, als Akakij Akakijewitsch ins Amt gehen wollte. Es war die passendste Zeit, denn die Kälte war schon recht empfindlich und wurde von Tag zu Tag strenger. Petrowitsch kam mit dem Mantel so feierlich an, wie es einem tüchtigen Schneider ziemt. Sein Gesicht hatte einen so ernsten und bedeutungsvollen Ausdruck, wie es Akakij Akakijewitsch bei ihm noch nie gesehen hatte. Er war sich der Wichtigkeit seines Werkes wohl bewußt und schien den Abgrund zu messen, der einen Flickschneider von einem solchen trennt, der neue Sachen anfertigt. Der Mantel war in ein reines Taschentuch gehüllt, das soeben von der Waschfrau gekommen war; erst, nachdem der Mantel ausgepackt war, steckte Petrowitsch das Tuch zum weiteren Gebrauch in die Tasche. Er nahm den Mantel mit beiden Händen und warf ihn sehr elegant Akakij Akakijewitsch auf die Schultern, dann zog er ihn mit einer geschickten Bewegung hinten zurecht; hierauf drapierte er ihn etwas legerer. Akakij Akakijewitsch wollte den Mantel auch richtig, wie es einem älteren

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