Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
umgeworfene Palette; einen Freund, der die Gitarre spielt, mit Farben beschmierte Wände und ein offenes Fenster, durch das man die blasse Newa und arme Fischer in roten Hemden sieht. Sie haben fast alle ein graues, trübes Kolorit – den unauslöschlichen Stempel des Nordens. Dabei hängen sie mit aufrichtigem Entzücken an ihrer Arbeit. Sie haben oft ein wahres Talent, das, wenn es nur in die frische Luft Italiens käme, sich sicher ebenso frei, groß und grell entfalten würde wie eine Pflanze, die man aus dem Zimmer endlich in die frische Luft bringt. Sie sind im allgemeinen schüchtern: ein Ordensstern und eine dicke Epaulette verwirren sie dermaßen, daß sie unwillkürlich den Preis ihrer Werke herabsetzen. Sie tragen sich zuweilen elegant, aber diese Eleganz erscheint bei ihnen zu auffallend und hat einige Ähnlichkeit mit einem Flick auf einem alten Anzug. Man sieht sie manchmal in einem vorzüglichen Frack und einem schmutzigen Mantel, in einer kostbaren Samtweste und einem mit Farben beschmierten Rock – so sieht man auch auf ihren unvollendeten Landschaften zuweilen eine mit dem Kopf nach unten gezeichnete Nymphe, die der Künstler, mangels eines anderen Platzes, auf den schmierigen Grund eines früheren Werkes hingeworfen, an dem er einst mit solchem Genuß gearbeitet hatte. Er sieht einem niemals gerade in die Augen; tut er es doch, so blickt er trüb und nichtssagend; es ist niemals der Habichtblick eines Beobachters oder der Falkenblick eines Kavallerieoffiziers. Das kommt daher, weil er zur gleichen Zeit ihre Züge und die Züge irgendeines gipsenen Herkules sieht, der in seinem Zimmer steht, oder weil ihm ein Bild vorschwebt, das er zu malen beabsichtigt. Darum beantwortet er die Fragen oft unzusammenhängend, manchmal falsch, und die sich in seinem Kopfe vermischenden Gegenstände vergrößern noch mehr seine Schüchternheit. Zu diesem Schlage gehörte auch der von uns geschilderte junge Mann, der Maler Piskarjow, ein schüchterner und scheuer Mensch, in dessen Seele aber Funken eines Gefühls glommen, die bei einer günstigen Gelegenheit zu einer Flamme auflodern konnten. Mit heimlichem Beben eilte er dem Gegenstande seiner Bewunderung nach, der ihn so tief erschüttert hatte, und er schien selbst über seine Kühnheit zu staunen. Das unbekannte Geschöpf, das seine Augen, Gedanken und Gefühle so mächtig anzog, wandte plötzlich den Kopf und sah ihn an. Mein Gott, was für göttliche Züge! Die blendend weiße entzückende Stirne war von achatgleichen Haaren beschattet. Sie bildeten wunderbare Locken, fielen zum Teil unter dem Hute hervor und berührten die Wangen, die von der abendlichen Kälte leicht gerötet waren. Die Lippen schienen von einem ganzen Schwarm entzückender Träume versiegelt. Alles, was von den Erinnerungen der Kindheit zurückbleibt, was beim Scheine der stillen Lampe Träume und eine stille Begeisterung weckt – alles schien in ihren harmonischen Lippen vereinigt, floß in ihnen zusammen und spiegelte sich in ihnen. Sie blickte Piskarjow an, und unter diesem Blicke erbebte sein Herz; ihr Blick war streng: ihre Züge drückten Entrüstung aus angesichts dieser frechen Verfolgung; aber auf diesem schönen Gesicht war sogar der Zorn berückend. Von Scham und Scheu ergriffen, blieb er stehen und schlug die Augen nieder; wie kann man aber diese Gottheit verlieren, ohne das Heiligtum gefunden zu haben, in dem sie sich niedergelassen hat? Solche Gedanken kamen dem jungen Träumer in den Sinn, und er entschloß sich, sie weiter zu verfolgen. Damit sie es aber nicht merke, blieb er weit hinter ihr zurück, blickte sorglos nach allen Seiten und betrachtete die Ladenschilder, ließ aber dabei keinen Schritt der Unbekannten aus den Augen. Es kamen immer weniger Passanten vorbei, die Straße wurde stiller, die Schöne sah sich um, und es kam ihm vor, als leuchtete ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen. Er erzitterte am ganzen Leibe und traute seinen Augen nicht. Nein, es war das trügerische Laternenlicht, daß auf ihrem Gesicht eine Art Lächeln hervorgezaubert hatte; es waren seine eigenen Gedanken, die sich über ihn lustig machten. Aber ihm stockte der Atem, alles in ihm wurde zu einem einzigen Zittern, alle seine Gefühle glühten, und alles vor ihm war von einem Nebel umfangen; das Trottoir enteilte unter seinen Füßen, die Equipagen mit den galoppierenden Pferden schienen unbeweglich, die Brücke zog sich in die Länge und brach in ihrer Wölbung, das Haus stand auf dem
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