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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Livree trat ein. In sein einsames Zimmer hatte noch niemals eine reiche Livree hineingeblickt, zudem zu einer so ungewöhnlichen Stunde … Er konnte nichts begreifen und starrte mit Ungeduld und Neugierde den Lakai an.
    »Die Dame,« sagte der Lakai mit einer höflichen Verbeugung, »bei der Sie vor einigen Stunden gewesen sind, läßt Sie zu sich bitten und schickt einen Wagen nach Ihnen.«
    Piskarjow stand in stummem Erstaunen da: Einen Wagen, ein livrierter Lakai! … Nein, es ist wohl ein Mißverständnis …
    »Hören Sie einmal, mein Lieber,« sagte er schüchtern, »Sie haben sich wohl in der Adresse geirrt. Die Dame hat Sie zweifellos nach jemand anders geschickt und nicht nach mir.«
    »Nein, mein Herr, ich habe mich nicht geirrt. Sie haben doch geruht, die Dame zu Fuß zum Hause in der Litejnaja, ins Zimmer im vierten Stocke zu begleiten?«
    »Ja, ich.«
    »Nun, dann kommen Sie bitte schnell mit. Die Gnädige will Sie unbedingt sehen und bittet Sie, zu ihr ins Haus zu kommen.«
    Piskarjow lief die Treppe hinunter. Draußen wartete wirklich ein Wagen. Er stieg ein, der Schlag wurde zugeklappt, die Pflastersteine dröhnten unter den Rädern und Hufen, und die erleuchtete Perspektive der Häuser mit den Laternen und den Ladenschildern flog an den Wagenfenstern vorbei. Piskarjow dachte während der ganzen Fahrt nach und wußte nicht, wie sich dieses Abenteuer zu erklären. Ein eigenes Haus, ein Wagen, ein Lakai in einer reichen Livree … Dies alles reimte sich gar nicht mit dem Zimmer im vierten Stock, mit den staubigen Fenstern und dem verstimmten Pianino zusammen. Die Equipage hielt vor einer hell erleuchteten Einfahrt, und er war ganz erstaunt über die Reihe von Equipagen, das Stimmengewirr der vielen Kutscher, die hellerleuchteten Fenster und die Töne der Musik. Der Lakai in der reichen Livree half ihm aus dem Wagen und führte ihn respektvoll in einen Flur mit Marmorsäulen, in dem ein goldstrotzender Portier stand, überall Mäntel und Pelze herumlagen und eine helle Lampe brannte. Eine luftige Treppe mit glänzendem Geländer führte inmitten von Wohlgerüchen hinauf. Schon war er auf der Treppe, schon trat er in den ersten Saal und erschrak und taumelte vor den vielen Leuten zurück. Die ungewöhnliche Buntheit der Gäste verwirrte ihn; es war ihm, als hätte irgendein Dämon die ganze Welt in eine Menge verschiedener Stücke zerbröckelt und diese Stücke ohne jeden Sinn und Plan vermischt. Strahlende Damenschultern und schwarze Fräcke, Lüster, Lampen, luftige, schwebende Tüllgewebe, ätherleichte Bänder und die dicke Baßgeige, die hinter dem Geländer des wundervollen Chors hervorschaute, – alles blendete ihn. Er sah auf einmal eine solche Menge ehrenwerter Greise und Halbgreise mit Ordenssternen auf den Fräcken, von Damen, die so leicht, stolz und graziös über das Parkett glitten, oder in Reihen nebeneinander saßen; er hörte so viele französische und englische Worte; außerdem waren die jungen Männer in den schwarzen Fräcken von einem solchen Anstand erfüllt, sprachen und schwiegen mit solcher Würde, verstanden so ausgezeichnet, nichts Überflüssiges zu sagen, scherzten so majestätisch, lächelten so ehrfurchtsvoll, trugen so wunderbare Backenbärte zur Schau und verstanden so kunstvoll ihre schönen Hände zu zeigen, indem sie ihre Halsbinden zurechtzupften; die Damen waren so lustig, so tief in vollkommene Zufriedenheit und Wonne versunken, schlugen so entzückend die Augen nieder, – daß … aber schon das demütige Aussehen Piskarjows, der sich ängstlich an eine Säule lehnte, zeigte, daß er ganz die Fassung verloren hatte. In diesem Augenblick drängte sich die Menge um eine tanzende Gruppe. Die Tänzerinnen waren in durchsichtige Schöpfungen von Paris gehüllt, in Kleider, die aus Luft gewebt schienen; flüchtig berührten sie mit ihren funkelnden Füßchen das Parkett und schienen noch ätherischer, als wenn sie es überhaupt nicht berührten. Aber eine von ihnen war schöner als alle, prachtvoller und glänzender als alle gekleidet. Ein unsagbarer feiner Geschmack spiegelte sich in ihrem ganzen Aufputz, und dabei hatte man den Eindruck, als kümmerte sie sich gar nicht um ihn, als sei alles ganz von selbst entstanden. Sie sah und sah zugleich auch nicht auf die Zuschauer, die sich um sie drängten, sie hielt ihre langen Wimpern gleichgültig gesenkt, und das blendende Weiß ihres Gesichtes erschien noch blendender, wenn sich bei einer Senkung des Kopfes ein

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