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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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Deutscher und kein gehörntes Rindvieh! Zieh ihm alles aus, mein Freund Hoffmann! Halt ihn an Armen und Beinen fest, mein Kamerad Kunz!«
    Und die Deutschen packten Pirogow an Armen und Beinen.
    Vergeblich versuchte er sich freizumachen; diese drei Handwerker waren die kräftigsten unter allen Petersburger Deutschen und behandelten ihn so roh und unhöflich, daß ich, offen gestanden, gar keine Worte finde, um dieses beklagenswerte Ereignis zu schildern.
    Ich bin überzeugt, daß Schiller am nächsten Tag von einem heftigen Fieber geschüttelt wurde und wie ein Espenblatt zitterte, indem er jeden Augenblick das Erscheinen der Polizei erwartete, und daß er Gott weiß was alles dafür gegeben hätte, wenn das gestrige Erlebnis nur ein Traum gewesen wäre. Nun ließ sich aber nichts mehr ändern. Nichts läßt sich mit dem Zorn und der Empörung Pirogows vergleichen. Schon der bloße Gedanke an die fürchterliche Beschimpfung brachte ihn in Raserei. Sibirien und Knute hielt er für die geringste Strafe, die Schiller verdiente. Er eilte nach Hause, um sich umzuziehen und dann direkt zum General zu gehen und diesem in den grellsten Farben den von den deutschen Handwerkern verübten groben Unfug zu schildern. Zugleich wollte er auch eine schriftliche Anzeige beim Generalstab machen; und wenn die zudiktierte Strafe ungenügend ausfiele, wollte er sich an noch höhere Instanzen wenden.
    Aber die Sache endete doch sonderbar: auf dem Heimwege kehrte er in einer Konditorei ein, aß zwei Blätterteigkuchen, las einiges in der »Nordischen Biene« und verließ das Lokal mit weniger Zorn. Außerdem verführte ihn der recht angenehme kühle Abend, ein wenig durch den Newskij-Prospekt zu spazieren; um neun Uhr hatte er sich schon beruhigt und war zur Einsicht gekommen, daß es nicht gut gehe, den General an einem Sonntag zu belästigen. Außerdem sei dieser zweifellos irgendwohin abberufen worden. Darum begab er sich zu einem Gesellschaftsabend bei einem Vorsitzenden einer Kontrollkommission, wo er eine recht angenehme Gesellschaft von vielen Beamten und Offizieren seines Regiments antraf. Dort verbrachte er vergnügt den Abend und zeichnete sich bei der Mazurka so aus, daß nicht nur die Damen, sondern auch die Herren entzückt waren.
    – Wie wunderbar ist doch unsere Welt eingerichtet! – dachte ich mir, als ich vorgestern durch den Newskij-Prospekt schlenderte und mich dieser beiden Ereignisse erinnerte. – Wie seltsam, wie unfaßbar spielt doch unser Schicksal mit uns! Erlangen wir je das, was wir uns wünschen? Erreichen wir das, wozu uns unsere Kräfte zu befähigen scheinen? Alles kommt immer anders. Dem einen hat das Schicksal die herrlichsten Pferde geschenkt, und er fährt mit ihnen gleichgültig spazieren, ohne auf ihre Schönheit zu achten, während ein anderer, dessen Herz von Leidenschaft für Pferde glüht, zu Fuß gehen muß und sich damit begnügt, daß er mit der Zunge schnalzt, wenn an ihm ein schöner Traber vorbeigeführt wird. Der eine hat einen vorzüglichen Koch, aber leider einen so kleinen Mund, daß er nicht mehr als zwei Stückchen verzehren kann; der andere hat einen Mund in der Größe des Schwibbogens am Generalstabsgebäude und muß sich leider mit einem deutschen Mittagessen aus Kartoffeln begnügen. Wie seltsam spielt doch das Schicksal mit uns! –
    Am seltsamsten sind aber die Ereignisse, die sich auf dem Newskij-Prospekt abspielen. Oh, traut diesem Newskij-Prospekt nicht! Ich hülle mich immer in meinen Mantel, wenn ich über ihn gehe, und bemühe mich, die Gegenstände, denen ich begegne, gar nicht anzusehen. Alles ist Trug, alles ist Traum, alles ist ganz anders, als es erscheint! Ihr glaubt wohl, dieser Herr, der in dem vorzüglich genähten Rock spazieren geht, sei sehr reich? – keine Spur: er besteht nur aus seinem Rock. Ihr denkt wohl, daß diese beiden dicken Herren, die vor der im Bau befindlichen Kirche stehengeblieben sind, über ihre Architektur sprechen? – durchaus nicht: sie sprechen davon, wie merkwürdig die beiden Krähen einander gegenübersitzen. Ihr meint, dieser Enthusiast, der mit den Händen fuchtelt, spräche darüber, daß seine Frau aus dem Fenster mit einem Papierball auf einen ihm gänzlich unbekannten Offizier geworfen habe? – durchaus nicht: er spricht über Lafayette. Ihr glaubt, daß diese Damen … aber den Damen soll man am allerwenigsten trauen. Schaut möglichst wenig in die Schaufenster hinein: die Bagatellen, die da ausgestellt sind, sind wohl

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